Zu Tode gehetzt: Aus dem Leben eines Provinzschauspielers

[Gabillon, Zerline, Schauspielerin (1835-1892) - Adressatin]. - Bertha Jaeger, Schauspielerin (fl. 1850er Jahre). Eigenh. Brief mit U.

Ulm, 28. II. 1856.

4 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 80,00

Berührender Brief der Schauspielerin Bertha Jäger an ihre Wiener Kollegin Zerline Gabillon über den Tod ihres Mannes, des österreichischen Schauspielers Adolf Moser: "[...] Wenn Sie, geehrtes Fräulein, Mosers letztes Vermächtnis, seine Rechtfertigung, die er im Gefängnisse geschrieben, lesen, so werden auch Sie ihm eine Thräne weihen, und fühlen, wie ich leide. Mosers Brochüre geht nur bis zu seiner Ankunft in Ulm, ich halte es für meine Pflicht, Ihnen sein Ende mitzutheilen. Am 29ten Jan. kam Moser wieder hier an, aber schon leidend. Unser Wiedersehen war ein erschütterndes, der theure Mann weinte wie ein Kind; doch waren wir glücklich, da wir Alles überstanden glaubten. Er freute sich hier sein Engagement anzutreten, wo er als Liebling allgemein verehrt war, da weigerten sich 2 der Ulmer Mitglieder Hr. Bernack und Frl. Winter mit ihm aufzutreten. Letztere erklärte: 'Sie spiele mit keinem Mann, der transportiert worden sei'. Dies gab dem Aermsten den letzten Stoß [...]".

Der "Linzer Abendbote" vom 25. April 1856 berichtete über das tragische Ende des noch zwei Jahre zuvor auf der dortigen Bühne in den Rollen des "Faust", "Kean" und "Piccolomini" erfolgreichen Schauspielers, der wegen einer nicht bezahlten Schuld von 450 fl. verhaftet und zu acht Tagen Haft verurteilt worden war - "ein der Willkür und ruchlosesten Grausamkeit verfallenes, zu Tode gehetztes Opfer jener versumpften Umstände, die man heutzutage in dem 'gepriesenen' Deutschland nur noch allzuhäufig wahrnimmt". Bäuerle druckte den Artikel am 29. April in der "Wiener Theaterzeitung" nach.

Braunfleckig; Bl. 1 recto mit Adressatennotiz in Bleistift von fremder Hand.