Michaltscheff, Theodor, Pazifist (1899-1968). 2 Briefe von Schreiberhand.

Wien, Mai 1934.

Zusammen 3 SS. 4to und qu.-8vo.

 60,00

An die Schauspielerin Lili Marberg: "Es handelt sich um die Declamation, die Sie gestern abends im Radio ausgeführt haben. Bei uns im Rudolfinerhaus liegt seit einem Monat ein sehr gebildeter Patient, ein ordentlicher Professor der Psychologie u. Logik an der Universität in Sofia, er heißt: Prof. D. Michaltscheff. Er hat die Netzhautoperation glücklich überstanden u. befindet sich jetzt in Rekonvaleszenz [...] Und nun hat er gestern abends Ihren Radio Vortrag gehört u. war so entzückt, daß er heute den ganzen Vormittag unter dem mächtigen Eindruck Ihrer Worte stand. Er sagt nämlich: 'Ich habe so vieles auf dem Gebiete der dramatischen und szenischen Kunst gesehen, ich habe dabei auch die russische szenische Kunst vor dem Kriege, die meines Erachtens das Höchste in der ganzen damaligen dramatischen Welt war, ebenso unmittelbar genossen; für die Declamation, die ich für eine mehr oder weniger unnatürliche Redeweise halte, habe ich nie besondere Neigung gehabt. Aber was ich gestern abends bei diesen 4 Stücken aus der Psychologie der tierischen Seele gehört habe, das war ein Kunstwerk erster Klasse [...]' Wenn es nicht schwer wäre, daß ein Kanzlei-Fräulein diese 3-4 Stücke abschreiben könnte, die selbstverständlich der Hr. Professor gerne honorieren würde, so würde das für ihn eine ungemein große Freude sein. Denn er möchte die Sachen ins Bulgarische übersetzen u. veröffentlichen [...]".

Michaltscheff war nach dem Zweiten Weltkrieg Professor für Philologie in Hamburg und Vorstand des deutschen Zweigs der War Resisters International.

Lili Marberg (1876-1962) gehörte von 1911 bis 1950 dem Wiener Burgtheater an. Seit 1936 auch Ehrenmitglied, spielte sie zunächst in Stücken Wedekinds, Hauptmanns und Ibsens, später vorwiegend Königinnen und mütterliche Frauen und galt weithin als vorzügliche Charakterdarstellerin. Zu ihren Hauptrollen zählten Desdemona, Hedda Gabler und Helena in "Vor Sonnenaufgang". Ihre einzige Filmrolle war die des Fräulein Munk in Walter Reischs "Silhouetten" (1936).

Auf Briefpapier mit gedr. Briefkopf der Krankenanstalt.