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[Tridentinisches Konzil]. Orationes Tridentinae.

Versch. Orte, 1562-1563.

Sammelband mit 61 Predigten, Bullen und anderen Schriften zum Konzil von Trient. Blindgepr. Schweinslederband der Zeit auf 3 Doppelbünden mit schwarzgepr. Deckeltitel, zeitgenöss. hs. Schnittitel am Vorderschnitt und etwas späterem hs. Rückenschildchen. Bindebänder fehlen. 4to.

Prächtiger Sammelband zum Tridentinischen Konzil, aus dem Besitz des bedeutenden katholischen Geistlichen und Bibliophilen Johannes Leisentrit (1527-86). Der Band vereint 61 durchwegs seltene Drucke aus der Schlußphase des Konzils, die Mehrzahl (34) in Brescia erschienen (zumeist im Verlag Giambattista Bozzolas); weitere Drucke stammen aus Riva (11), Padua (10), Venedig (5) sowie außerdem Bologna (1). Das sog. Tridentinum, das zum einen auf eine theologische Abgrenzung zum Protestantismus, zum anderen auf eine echte Kirchenreform zielte, war 1545 in Trient/Tirol eröffnet worden; die dritte und letzte Sitzungsperiode dauerte von November 1561 bis Ende 1563. Unter den hier versammelten Schriften ragen hervor einige außerordentlich rare Drucke von Konzilsbullen (z. B. Nr. 1) oder Reden (etwa die Oratio des Massimiano Beniami, Nr. 6), die seltenen Orationes der ungarischen Delegierten György Draskovic (Nr. 12) und András Dudith (Nr. 20), die seinerzeit großes Aufsehen erregende Rede des bayerischen Regierungskanzlers Augustin Baumgartner, in der er schonungslos die kirchlichen Mißstände in Bayern darlegte (Nr. 28), sowie zahlreiche Drucke, die die Situation der Hugenotten in Frankreich von beiden Seiten beleuchten (Nr. 35 sowie 37, 41, 43, 47, 60). Mehrere Drucke widmen sich Kernthemen der Kirchenreform, so etwa Gentian Hervets Disputation über die Winkelehe (Nr. 53), Gaspar Cardillos Schrift über den päpstlichen Primat (Nr. 55) oder auch Juan de Ludeñas Disputation über den Zölibat (Nr. 61). Von besonderem Interesse ist auch das Treuegelöbnis des mesopotamischen Patriarchen Abd Isu aus Al-Jazirah am Tigris (Nr. 29), wie auch die Erwähnung der Eingeborenen Nordamerikas in einer der drei enthaltenen Reden Pedro Fuentidueñas (Nr. 51).

Der schöne, wohlerhaltene Blindstempelband zeigt am Vorderdeckel umlaufend eine Tugendenrolle (Fides - Justicia - Caritas - Spes; im Schild monogrammiert "GP" und datiert "1563"); darin ein von Streicheisenlinien abgegrenzter Rahmen, lose mit Fleuronstempeln verziert; dieser umschließt wiederum eine Rolle mit klassischen Köpfen im Oval (Cicero - Ovid - Cäsar); das schmale Mittelfeld mit drei Fleuronstempeln gefüllt. Die Querriegel tragen am Vorderdeckel noch den schwarzgeprägten Bandtitel "Orationes Tridentinae" (am Hinterdeckel lose mit Einzelstempeln geschmückt); der Rücken mit ornamentaler Prägung verziert. Haebler identifiziert die Tugendenrolle und nennt als mögliche Meister den Nürnberger Georg Popp oder aber den Augsburger Georg Praun: "In Nürnberg gab es schon vor der Begründung der Buchbinder-Innung (1573) einen Buchbindermeister Georg Popp, dessen Werkstätte unter der Leitung seines gleichnamigen Sohnes bis zu dessen Tode im Jahre 1596 fortbestanden hat. Da der jüngere Popp 1573 zum Vorgänger [wohl gemeint: Nachfolger] erwählt wurde, könnte die Rolle von 1563 den Termin seiner Meisterschaft bezeichnen. Allerdings [...] hat es [auch in Augsburg] einen Meister G. P. gegeben, dessen Name Georg Praun gewesen ist. Er wird freilich auch manchmal Jörg Braun genannt, und es ist deshalb seiner schon bei den Initialen I. B. gedacht worden. Ich habe ihn mit der Bezeichnung Georg Praun als Vorgänger der dortigen Innung in den Akten zu dem Jahre 1563 gefunden, und wenn er damals neu erwählt worden ist [...], so könnte auch ihm dies der Anlaß zur Beschaffung einer datierten Rolle gewesen sein" (Haebler).

Am vorderen Innendeckel zeitgenöss. hs. Psalmenvers "Gott ist mein Schutz" (dat. 1564); darunter eine etwas spätere (um 1700) hs. Auflistung einiger Titel aus dem Sammelband. Am hinteren Innendeckel hs. Besitzvermerk und persönliches Motto des sächsischen Theologen Johann Leisentrit(t) von Juliusberg, der als Apostolischer Administrator des Bistums Meißen in der Lausitz wirkte: "Virtute parta durant [Das durch Tugend Erworbene hat Bestand] | Johan Leisentritius". Das Motto findet sich auch als Devise in dem von Leisentrit benutzen Wappen (vgl. Seifert, S. 12 u. Tafel I); eine Vergleichsunterschrift ist bei Seifert auf Taf. XVI abgebildet.

Leisentrit wurde 1551 Domherr, 1559 Dekan des Kollegiatsstifts Bautzen. Noch ehe das Bistum Meißen 1561 evangelisch wurde, ernannte ihn Bischof Johann von Haugwitz zum bischöflichen Generaloffizial der Ober- und Niederlausitz; 1565 ernannte ihn der päpstliche Nuntius Melchior Biglia zum apostolischen Protonotar, 1567 zum Lausitzer päpstlich-kaiserlichen "Administrator et comissarius generalis". "Als solcher erreichte er durch Seelsorge und kluge, maßvolle Kirchenpolitik, daß dieses Gebiet großenteils katholisch blieb. Auch trat er vergeblich für die Verwendung der deutschen und wendischen Sprache bei der Sakramentsspendung und der hl. Messe ein" (NDB). Zu seinen Freunden zählte er Melanchthons Schwiegersohn, den Humanisten Caspar Peucer, den Prager Erzbischof Anton Brus von Müglitz und den Görlitzer Mathematiker Bartolomäus Scultetus; auch stand er "in regem Gedankenaustausch mit den Prager Jesuiten, die ihn auch in seinem kirchenpolitischen Wirken unterstützten" (Seifert, S. 50). Als umfassend gebildeter Philologe hatte Leisentrit "mit großem Kostenaufwand eine Bibliothek [eingerichtet und aufgebaut], die von Zeitgenossen in Briefen und Schriften oft gerühmt wird und im ganzen Königreich Böhmen nicht ihresgleichen gehabt haben soll [...] Der größte Teil dieser Bibliothek wurde leider bei dem Brand im Jahre 1620 vernichtet. Dennoch sind eine Reihe [...] der Leisentritschen Bücher der Bibliothek des Domkapitels St. Petri bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben; Bücher, die sich nicht allein durch ihren Inhalt, sondern auch durch die Art ihres Einbandes [...] als bibliophile Kostbarkeiten ausweisen" (ebd., S. 36). Wie der vorliegende Sammelband in Leisentrits Bibliothek kam, ist nicht gesichert, zumal er selbst am Konzil nicht teilnahm - seine exponierte Stellung als Alleinvertreter des Katholizismus in der von lutherischen Gebieten umgebenen Lausitzer Enklave machte ihn in Bautzen unabkömmlich. Es darf jedoch angenommen werden, daß er den Band entweder über seinen Freund György Draskovic, ungarischer Erzbischof und selbst Konzilsteilnehmer (vgl. Nr. 12), oder aber über die Prager Jesuiten erhielt. Diese jedenfalls dürften ihn wohl auch mit den Beschlüssen des Konzils von Trient versorgt haben, "deren Durchführung, einschließlich der Ablegung des Tridentinischen Glaubensbekenntnisses, er 1569 auf dem Generalkapitel in Lauban festlegte" (Seifert, S. 41).

Leisentrits ohne Zweifel wichtigste Veröffentlichung bildet sein erstmals 1567 in Bautzen erschienenes deutsches Kirchengesangbuch "Geistliche Lieder und Psalmen", das noch zu seinen Lebzeiten drei Auflagen erlebte und "für ganz Deutschland bahnbrechend wurde" (LThK). "Der umfangreiche, mit 41 Bildern und mit Randleisten geschmückte Band [...] ist das größte und am schönsten ausgestattete Gesangbuch der Gegenreformation, das in ganz Deutschland Verbreitung fand" (NDB; vgl. auch ausf. MGG). Leisentrits Ziel, die Rolle des deutschen Gemeindegesangs in der Messe zu erweitern, stieß jedoch auf Widerstand durch das neue römisch-lateinische Liturgiepostulat - also die streng gegenreformatorisch ausgerichtete Liturgie eben jenes Trienter Konzils, dessen Schriften Leisentrit hier vereint hatte. Seine "Forderung, in der Messe und bei der Spende der Sakramente die deutsche Sprache zu verwenden, wurde erst beim 2. Vatikanischen Konzil verwirklicht" (Öst. Musiklex.).

Umfangreiche Sammlung seltener Tridentinumsdrucke aus der Sammlung eines der herausragendsten katholischen deutschen Theologen und Bibliophilen der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Literatur

Zum Einband: Haebler I, 327, 1. Zu Leisentritt vgl. Siegfried Seifert: Johann Leisentrit 1527-1586. Zum vierhundertsten Todestag (Leipzig, 1987) sowie NDB 14, 156; LThK VI, 475ff.; New Grove X, 642ff.; MGG VIII, 578f.; ADB 18, 221ff.; Jöcher II, 2353f., Österr. Musiklexikon, s. v. etc.