"Zwölf Arten seine Liebe anzutragen"

Lichtenberg, Georg Christoph, Schriftsteller (1742-1799). Eigenh. Brief mit U. ("GLichtenberg").

Göttingen, 25. X. 1779.

2 SS. auf Doppelblatt. Gr.-8vo. Mit eh. Adresse

 12.500,00

An den Kupferstecher, Graphiker und Illustrator Daniel Chodowiecki (1726-1801): "Herr Dieterich wird Ew. Wohlgeboh[ren] vermutlich von einer Idee für die Calender Cupfer fürs Jahr 1781 gesagt haben, die ich in Vorschlag zu bringen gedächte, und die wir wo nicht auch durch [I]hren Grabstichel, wenigstens durch Ihren Crayon ausgeführt wünschten. Dieses wäre: zwölf Arten seine Liebe anzutragen oder um ein Herz oder eine Hand oder einen Geld Beutel anzuhalten, das wäre mir gleich viel. Kurz ich meine jede Art Eroberung zu machen, wobey die Capitulation vor dem Altar unterzeichnet wird, so vorgestellt daß sie niemand, der nur etwas mit der Welt bekannt ist leicht erkennen kön[n]te. Ich glaube, daß die Idee reich ist, und durch die Umstehenden Personen viel Veränderung erhalten kann[n]. Der Bauer, der Knickser [?], die geistlichen Pedanten vom Schulmeister bis zum General Superintendenten und die weltlichen aus allen Facultäten der Professoren, vorzüglich die Naturalien und Urnensammler [?], auch die Odensänger nicht zu vergessen, Stutzer, Husaren Officire gesunde und dem Schwitzkasten kaum entflohene kön[n]ten hier vorgestellt werden. Auch die Eroberung durch Sturm kön[n]te vorkommen, gewaltsame Entführung u. d. gl. Dieses wäre der Gedanke im allgemeinen, Ew. Wohlgeboh[ren] mehr Detail anzugeben halte ich für ganz unnöthig, da Ihnen Ihr außerordentlicher Beobachtungs Geist in einem Augenblick mehr Bilder an die Hand geben wird, als mir alle meine Tagebücher, eigne und geborgte Erfahrung. Wie gerne wünschte ich einige Zeichnungen von Ihnen zu unserm Journal. Für das erste ist es freylich keine Möglichkeit, aber doch für das zweyte das im März erscheint [...]".

Lichtenbergs "Hausherr, Verleger, Bücher- und Wein-Lieferant und Freund" (Lichtenberg, Briefe, zit. n. Promies, s. u., S. 70) Johann Christian Dieterich (1722-1800) verlegte seit 1776 den von Lichtenbergs Studienfreund und späteren Professorenkollegen Johann Christian Polykarp Erxleben (1744-1777) herausgegebenen "Musenalmanach", den Lichtenberg nach dessen Tod als "Göttinger Taschen Calender" weiterführte. "Der Kalender sollte möglichst ein großes Publikum ansprechen, dessen Bildungsgrad nicht erlesen war [....] nie vergaß er die Kupfer der neuesten Frauenzimmer-Moden" (Promies, S. 71f.). "Es war von vornherein eine geschäftliche Erwägung Dieterichs, den Kalender mit Kupfern zu schmücken. Vollends Daniel Chodowiecki zur Mitarbeit zu gewinnen, den vielbeschäftigten Buchillustrator seiner Zeit, bedeutete vermehrten Anreiz für das in Bilder vernarrte Publikum" (ebd., S. 78). Der hier angesprochene Kalender erschien 1781 mit 2 Modekupfern und 12 Monatskupfern von Chodowiecki zum Thema "Zwölf verschiedene Arten von Heiratsanträgen".

Bl. 2 mit kl. unbed. Ausr. durch Siegelbruch und Resten desselben. So frühe Briefe Lichtenbergs sind selten. Vergleichbar frühe Briefe Lichtenbergs sind auf Auktionen der letzten Jahrzehnte nicht nachweisbar, auch aus seiner Korrespondenz mit Chodowiecki ist im Handel bisher nie etwas aufgetaucht.

Literatur

Wolfgang Promies: Georg Christoph Lichtenberg. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt. Reinbek bei Hbg., Rowohlt, 1987 (= Rowohlts Bildmonographien 90), S. 70.

Art.-Nr.: BN#18168 Schlagwort: