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Das bislang unbekannte Exemplar der Eytzinger

[Leopold von Wien]. Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften.

Österreich, um 1430.

Deutsche Handschrift auf Papier. Süddeutsche Bastarda in brauner Tinte; durchgehend rubriziert. Mit 5 prächtigen Wappenminiaturen in Gold, Silber und Farben (jeweils ca. 65:120 mm). 2 Spalten, 28-35 Zeilen; Schriftspiegel bis einschl. Lage H mit feinen Federstrichen regliert. 141 (statt 145) Bll.: vollständige Kollation A12, B11, C-M12, N2 (unfoliiert, aber durchgehend mit von der Hand des Schreibers stammender Lagennumerierung I-XII am Schluß jeder Lage; das w. Bl. B1 schon bei der Bindung bis auf einen schmalen Steg entfernt); demgegenüber fehlen die Bll. B6, C5, C7, D2, L3; das letztere Blatt schon im 16. Jh. von anderer Hand ergänzt und auf den Falzsteg montiert. Einige Kapitelüberschriften und Auszeichnungen in roter Tinte; zahlreiche Lombardinitalen in rot, blau, grün, gelb und rosa, teils mit Federwerksverzierungen und andersfarbigen Füllungen; die Anfangsinitiale in rot auf grünem, ornamentiertem Grund mit etwas aufwendigerer Verzierung. Das ergänzte Blatt L3 ebenfalls rubriziert und mit Lombardinitiale. Am hinteren Innendeckel zeitgenössische Wappengouache der Eitzinger in Gold und Farben (120:160 mm). Originaler rotbrauner Glattlederband des 15. Jahrhunderts über Holzdeckeln mit zehn Messingbuckeln und Resten von Schließen (Rücken in neuerer Zeit fachmännisch restauriert; Kapitale ergänzt); hs. Rückenschildchen um 1780: "Chronick von Oestreich bis 1398. M.S." und Signaturschildchen "670". Folio (222:305 mm). In maßgefertigter Leinenkassette.

Schön ausgeführte, noch recht frühe und mit fünf prächtigen Wappenminiaturen ausgestattete Abschrift der weit verbreiteten "Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften" (einst aufgrund falscher Verfasserzuschreibung durch H. Pez als "Hagensche Chronik" bekannt), die Ende des 14. Jahrhunderts wohl im Auftrag Herzogs Albrecht III. verfasst wurde. Das umfangreiche Geschichtswerk angeblicher österreichischer Herrscher seit der Erschaffung der Welt, das eine Abstammung des Herzogtums Österreich und seiner Fürsten vom alttestamentlichen Judentum darzustellen versuchte, avancierte rasch zur halboffiziellen Landeschronik und sollte das österreichische Geschichtsbild des 15. Jahrhunderts maßgeblich bestimmen.

Vorliegend die sogenannte Redaktion D, ein Auszug, in dem insbesondere die meisten Papstparagraphen fortgelassen sind. "Durch die auslassungen [...] werden die [...] unterbrechungen in der aufzählung der fabelherrschaften beseitigt und diese als einheitliche masse gebracht: sie standen bei der kopie D im vordergrund des interesses [...]; nach ihrem abschluss wird die kürzungstendenz weniger radikal [...]. Der plan der verkürzung scheint auch nicht von anfang ab gefasst zu sein [...]. Alle [...] merkmale von D kennzeichnen es teils als eine im normalen verlauf der überlieferung durch die gewöhnlichen schreiberverderbnisse angestattete textform, teils als eine von dritter hand vorgenommene redaction, die in erster linie den umfang der vorlage kürzte, am wortlaut des erübrigenden textes aber nur ausnahmsweise sich vergriff" (Seemüller LXXXV). Der Text endet wie S. 223 in Seemüllers Edition angezeigt mit der sog. Zweiten Fortsetzung ("und ander zierhait und schankhung"); obwohl noch zwei Anhänge überliefert sind, gehören diese nicht zum eigentlichen Text der Chronik und wären einer Auszugskopie wie der vorliegenden auch kaum beigegeben worden; die hier fehlenden Schlußbll. N3-4 dürften somit weiß gewesen sein.

Der Handschriftencensus nennt nicht weniger als 49 (zum Teil nur in Fragmenten überlieferte) Abschriften, woraus sich Bedeutung und Popularität des Werks im 15. Jahrhundert erschließen lassen. Viele Handschriften enthalten Wappenbilder aus der großteils fabelhaften habsburgischen Ahnenreihe, manche auch Bilder zur biblischen und österreichischen Geschichte (sogar die von Friedrich III. veranlaßte Wappenwand der Wiener Neustädter Georgskathedrale geht wohl auf Motive der Chronik zurück). Die vorliegende, im Census bislang nicht erfaßte Kopie enthält fünf sauber ausgeführte Wappenbilder, nämlich die vier Phantasiewappen von Saptan (C1v), Salanata (C9r), St. Amman (C10r) und Johann (C11r) sowie den Bindenschild Leopolds V. (E9r). Auch die vier fehlenden Blätter dürften Wappenminiaturen enthalten haben, und zwar nach der fehlenden Textmenge zu schließen bis zu sechs (B6: wohl Abraham, C5: wohl Samaym und/oder Samanna, C7: wohl Enna, D2: wohl Albrecht und/oder Salme); das alt ergänzte Bl. L3 enthielt wohl nie eine Illustration, wie überhaupt das Bildmaterial nach Lage E abreißt.

Einband mit sternförmigen Schnittspuren und Bezugsfehlstelle am Vorderdeckel; die schlichten Messingbuckel ausnahmslos erhalten. Provenienz: Am hinteren Innendeckel mit der Handschrift gleichzeitige, nach Stil und Mache dem Buchillustrator selbst zuzuweisende großformatige Wappenmalerei mit dem Wappen der im 15. und 16. Jahrhundert in der niederösterreichischen Ständevertretung bedeutenden Familie Eyczing(er), die demnach als Auftraggeber dieser Kopie angenommen werden dürfen; über und unter dem Wappen zudem mehrfach der zeitgenössische Namenszug "Eytzing/Eyzinger". Nachdem Ulrich von Eitzing, Hubprobst von König Albrecht II., 1439 vom Kaiser in den Freiherrnstand erhoben wurde, hier jedoch noch die alte Wappenform dargestellt ist, liegt eine (auch durch die Schriftgestalt gestützte) Datierung um 1430 nahe. Wasserzeichen Waage (nicht bei Piccard).

Am vorderen Innendeckel hs. Besitzvermerk "W. Paumgarten" (dat. 1550); unmittelbar danach in den Besitz der Waldviertler Familie Puchheim übergegangen (hs. Besitzvermerk "Veit Alb[recht] H[err] v[on] Puechamb" auf A1r - womöglich der Vater des gleichnamigen Gründers der bekannten protestantischen Privatdruckerei auf Schloß Wildberg bei Horn; vgl. sein Epithalamion: VD 16, V 2783). Zuletzt in einer Salzburger Privatsammlung.

Literatur

Vgl. MGH VI (ed. Seemüller). Lhotsky, Quellenkunde 312ff.