Geheime Audienz beim Kaiser, kurz vor der Kriegserklärung an Frankreich

Latour, Theodor Gf. Baillet de, Militär und Staatsmann (1780-1848). Eigenh. Brief bzw. Briefentwurf ohne U.

Reichenbach, 26. VII. 1813.

12 meist einspaltig beschriebene SS. auf 6 (= 3 Doppel-)Blatt. Folio. Beiliegend ein zweiseitiges französischsprachiges Manuskript mit einem Verzeichnis geplanter Truppenverschiebungen.

 6.500,00

Sehr ausführlicher Brief des zu dieser Zeit als Oberst des 12. Infanterieregiments dem Generalstab von Feldmarschall Karl Philipp Fürst Schwarzenberg zugeteilten späteren Kriegsministers. Latour berichtet darin detailliert von einer geheimen Audienz beim Kaiser, bei der man die militärische Situation erörtert habe; knapp drei Wochen darauf erfolgte die österreichische Kriegserklärung an Frankreich (12. August), und von 16. bis 19. Oktober kam es zur siegreichen Völkerschlacht bei Leipzig, jener entscheidenden Schlacht der Befreiungskriege, in der Schwarzenberg die verbündeten Streitkräfte gegen Napoleon befehligt hatte: "Der Rittmeister Gf. Clam wird E. Durchlaucht bereits gemeldet haben daß ich auf heute Abends zu einer Conferenz bey S. M. dem Kaiser geladen worden war. Da es mir bekannt war, daß S. M. sich über den Unterschied der beyden Operationspläne und seinen Einfluß auf die allgemeine Sache mit mir zu besprechen wünschten, so hatte ich den Marsch Entwurf der 3 wahrscheinlichsten Fälle [...] zu Papier gebracht. Wirklich erhellet auf eine nicht zu bestreitende Weise daraus, daß die Ausführung des Operationsplans Von Trachenberg, indem sie die Vereinigung einer Macht von 250.000 M[ann] an der Eger für den 18 möglich macht, die sichere Hoffnung gewährt, daß dies Kriegstheater nur wenige Tage in Böhmen seyn würde [...] Dieser Konferenz wohnten der Fürst Wolokonsky [recte: Wolkonsky, d. i. Fürst Peter Michailowitsch Wolkonsky, 1776-1852, Generallieutenant und Chef des kaiserlichen (russischen) Stabs] und General Toll [recte: Tolly, d. i. Generalfeldmarschall Fürst Michail Barclay de Tolly, dem Oberbefehlshaber der russischen Armee] bey. S. m. der Kaiser lasen selbst unseren ganzen Operationsplan durch wovon ich Höchstderselben eine französische Uibersetzung überreicht hatte - und war mit allem darin abgehandelten Fällen vollkommen einverstanden. Der Kaiser hatte hierauf die Gnade mir die detaillierten Stände der ganzen russisch-preußischen Armee vorzulegen, und mich auf den bedeutenden Unterschied aufmerksam zu machen der zwischen ihrer Stärke und ihrer Hypothese in unserem Operationsplan bestehe [folgt der "wahre Stand der russischen Armee] [...] [S. 5 unten:] S. M. geruhten sich hierüber heute mit folgenden Worten gegen mich zu erklären = Es liegt die Uiberzeugung in mir, daß Napoleon gegen meine Armee in Schlesien nur so viel zurücklassen werde um mit Hülfe der verschiedenen stark verschanzten Lager und Posten ihren Marsch an die Elbe einige Zeit verzögern zu können, daß man aber mit wenigstens 180.000 Mann auf die österreichische Armee losgehen und sie zu schlagen trachten werde ehe der Kronprinz von Schweden und die Alliierte Armee hinzuzukommen [...] im Stande seyn werde. 70 Mann verschaffen dem Fürsten von Schwarzenberg noch keine entschiedene Uiberlegenheit, und bey gleicher Stärke ist zu viel dem Zufall überlassen [...]".

"Der Kriegsplan, über welchen man zu Trachenberg übereingekommen und der von Oesterreich angenommen worden war, schrieb der böhmischen Armee vor, so wie der Kaiser Napoleon gegen die Armee des Kronprinzen von Schweden, folglich auch so wie er gegen jene des Generals Blücher marschiren würde, auf die Verbindungslinie des Feindes loszurücken und ihm eine Schlacht zu liefern" (Johann Sporschil: Die große Chronik. Geschichte des Krieges des verbündeten Europa's gegen Napoleon Bonaparte in den Jahren 1813, 1814 und 1815. Dritte Auflage. Tl. I, Bd. II. Braunschweig, Georg Westermann Verlag, 1841, S. 431f. ).

Art.-Nr.: BN#30004 Schlagwörter: , ,