E=mc2 before Einstein

Hasenöhrl, Friedrich, österreichischer Physiker (1874-1915). Eigenh. Manuskript: "Theorie der offenen Pfeife nach Helmholtz".

[Wohl Wien], o. D.

13 num. SS. auf gefalt. Doppelbögen, 3 unbeschriebene SS. am Schluß. Schwarze Tinte auf Papier; eine schematische Textskizze. Einige eigenh. Markierungen und Überarbeitungen in blauem Buntstift und Bleistift. 4to.

 12.500,00

Anscheinend Seitenstück zu Hasenöhrls Vorlesung zur Hydromechanik (Mechanik II), die der Physiker im Sommersemester 1908, 1911 und 1914 abhielt; womöglich auch im begleitenden Proseminar entstanden. Zwei für den Vortragenden charakteristische Buntstiftmarkierungen ("1 V" und "2 V") geben den Arbeitsfortschritt der jeweiligen Veranstaltung an.

In seiner Nobelpreisrede würdigte Erwin Schrödinger rückblickend die Fähigkeit seines Lehrers Hasenöhrl, die Materie im Hörsaal detailliert abzuhandeln: "In einem Zyklus, der sich durch acht Semester mit je fünf Wochenstunden hinzog, kamen sowohl die höheren Theorien der Mechanik als auch die Eigenwertprobleme der Kontinuumsphysik in der Ausführlichkeit vor, wie sie mir später nötig werden sollte - aus Büchern habe ich nur schwer lernen können [... Er fiel im Krieg], und ein Gefühl sagt mir, daß sonst sein Name heute an Stelle des meinigen stünde." In seiner Abhandlung "Zur Theorie der Strahlung in bewegten Körpern" (1904) hatte Hasenöhrl den Begriff der "elektromagnetischen Masse" auf von Strahlung durchsetzte Hohlkörper angewandt und argumentiert, daß jede Form von Wärmestrahlung einen solchen Körper mit zusätzlicher "scheinbarer Masse" ausstatte. Diese Leistung, die den Zusammenhang von Energie und Masse herstellt und in ihrer verkürztesten Form "m = E/c²" scheinbar die Einstein'sche Spezielle Relativitätstheorie vorwegnimmt, brachte Hasenöhrl (auf Boltzmanns Vorschlag) 1905 den Haitinger-Preis der Akademie der Wissenschaften ein und war Grundlage für seine Berufung zum Ordinarius. Einstein (dessen Relativitätstheorie Hasenöhrl übrigens - noch keineswegs selbstverständlich - an der Universität vortrug) generalisierte 1905 die von Hasenöhrl nur auf die Hohlraumstrahlung bezogene Formel zum ikonischen, nun in eine umfassende Theorie eingebetteten "E = mc²" (zu Hasenöhrls Rolle bei der Ausarbeitung der Formel vgl. zuletzt Stephen Boughn, "Fritz Hasenöhrl and E=mc²", in: The European Physical Journal H 38/1 [Jan. 2013], S. 1-18). 1911 war Hasenöhrl Teilnehmer der historischen ersten Solvay-Konferenz, auf der sich die Weltspitze der damaligen experimentierenden und theoretischen Physiker vereinigte, um die fundamentalen Probleme der gegenwärtigen Physik zu diskutieren. Jene erste Konferenz befasste sich unter dem Thema "La théorie du rayonnement et les quanta" mit den unterschiedlichen Ansätzen der Klassischen Physik und der im Entstehen begriffenen Quantenphysik; zu den weiteren Teilnehmern zählten Einstein, Marie Curie, Ernest Rutherford, H. A. Lorentz, Wilhelm Wien, Heike Kamerlingh Onnes und Henri Poincaré. Auch an der zweiten Solvay-Konferenz 1913 nahm Hasenöhrl noch teil.

Am oberen Rand etwas lappig, sonst von tadelloser Erhaltung. Von größter Seltenheit: Werkmanuskripte Hasenöhrls gelten als nahezu unauffindbar; kein einziger Nachweis irgendeines Schriftstücks von seiner Hand in den internationalen Auktionsregistern seit 1975 (dagegen für Albert Einstein über 1000 Nachweise, davon über 100 Manuskripte). Die SUB Göttingen verwahrt eine Nachschrift von Hasenöhrls Vorlesung über Kugelfunktionen (Wien, Sommersemester 1900) im Umfang von nur 17 Bll. (Cod. Ms. G. Herglotz E 15), geschrieben von Gustav Herglotz (1881-1953), später Professor für Mathematik in Leipzig und Göttingen. An der Österreichischen Zentralbibliothek für Physik existiert ein als "Teilnachlass Fritz Hasenöhrl" geführter Bestand im Umfang von einem Karton, der hauptsächlich Fotografien, Separatdrucke und Fotokopien von Lebensdokumenten enthält, jedoch abgesehen von einer eigenhändigen Seite Formeln (auf der Rückseite einer Buchhandelskorrespondenz) gar keine Werke. Einige Briefe von Hasenöhrls Hand finden sich verstreut in Gelehrtennachlässen (so an Prof. Stefan Meyer, im Archiv des Inst. für Radiumforschung, Österr. Akad. der Wiss.).

Literatur

Vgl. Stephen Boughn, "Fritz Hasenöhrl and E=mc²", in: The European Physical Journal H 38/1 [Jan. 2013], S. 1-18.