Strauss, Richard, Komponist (1864-1949). 2 eigenh. Briefe mit U.

Garmisch, 25. X. 1936.

Zusammen (4+1 =) 5 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 8.500,00

An den Kritiker Alexander Berrsche: "Es ist nicht meine Gewohnheit, über kritische Äußerungen der Presse Beschwerde zu führen. Wenn ich Sie bitte, in Bezug auf Ihre Besprechung des ersten Akademieconzerts einmal mit einigen kurzen, sachlichen Andeutungen eine Ausnahme machen zu dürfen, so hat dies seinen Grund, daß Sie gewöhnlich Verständnis für Dinge zeigen, die nicht Jeder hört und sieht, und weil eine Fortdauer des Ihrer Kritik zu Grunde liegenden Mißverstädnisses die erzieherische Arbeit, die ich diesen Winter an Orchester und Publikum zu leisten mir vorgenommen hatte, unnötig erschweren würde. Sie glaubten am Vortrag des Orchesters Müdigkeit und Undurchsichtigkeit constatiren zu müssen. Wenn dies richtig war, so trifft sicher nur mich die Schuld. Sie hörten ganz richtig Vieles weniger ‘temperamentvoll’, weniger ‘schneidig’ als sonst, Vieles, was gegen die Vorschrift sonst sehr gehackt wurde, nur so gespielt, das Blech blies ‘affektlos’ und abgedämpft. Beethovens Scherzo wurde (nach Bülows Vorschrift) das erste Mal in mäßigem Zeitmaß und erst bei der zweiten Wiederholung in vollem Vivace, das Finale um mindestes ein Drittel langsamer gespielt, als es selbst von den berühmtesten Dirigenten improvisirt und meiner Meinung nach irrtümlich sogar von Keinem Geringern als R. Wagner gefordert wird – aber dieses vielleicht allzu abgeschliffene, allzu kultivirte Musicieren war diesmal keine Müdigkeit, sondern Absicht – dem Orchester vielleicht noch nicht ganz in Fleisch und Blut übergegangen, dem normalen Conzertbesucher sicher ungewohnt wie von jeher meine ganze Beethoven-Interpretation. Was nun Mazeppa betrifft, wo Sie vielleicht manche Undurchsichtigkeit bemerkten, so glaube ich, gerade Ihnen nicht auseinandersetzen zu müssen, daß ein solch prachtvolles Lisztsches Frescogemälde nicht ausciselirt wie ein Mozartsches Andante gespielt werden kann: bei dem Pianisten Liszt gibt es ab und zu kleine technische Unzulänglichkeiten des neuen und genialen Orchestersatzes zu verwischen, manche Lücke zuzudecken - das 50 Jahre später geschriebene polyphone Tod und Verklärung ‘klingt’ schon von alleine andersch [!]! - Daß die Tendenz der Programme: Beethoven ganz zur Programmmusik zu rechnen oder umgekehrt die sog. Programmmusik als unmittelbarste und musikgeschichtlich einzig giltige Beethoven Nachfolge nachzuweisen, Manchem nicht gefällt, darauf war ich von vornherein gefaßt. Wenn Sie sich mit mir einmal über all dies mündlich unterhalten wollen – ausführlicher, als es in diesen kurzen Andeutungen möglich – stehe ich gern zu Ihrer Verfügung als Ihr sehr ergebener Dr. R. Strauss".

Beiliegen der Begleitbrief, mit dem Strauss das vorliegende Schreiben an den Münchner Zeitungs-Verlag übersandte, und ein Schreiben des Verlages an Berrsche.

Art.-Nr.: BN#31971 Schlagwort: