Weininger, Otto, Philosoph (1880-1903). Schriftlicher Teilnachlass. Vorarbeiten und Skizzen zu seinem Hauptwerk "Geschlecht und Charakter" sowie zu "Eros und Psyche", weiters Notizen, Autobiographisches und Persönliches.

[Wien], vorwiegend vor/um 1900, mehrfach datiert 1899.

Zus. ca. 700 SS., teils paginiert, überwiegend in Weiningers fast gestochener Handschrift, Teile auch flüchtiger geschrieben (Lateinschrift), bzw. stenographiert, zahlreiche Korrekturen und teilweise ganzseitige Streichungen. Konvolut ungeordnet, unvollständig, auf Grund unterschiedlicher Papierqualität teils etwas gebräunt, teils rissig und mitunter knittrig, versch. Formate, meist 4to (34 x 21 cm), selten 8vo und kleinere Formate, insgesamt recht guter Erhaltungszustand.

 95.000,00

Umfangreicher und unbekannter Teilnachlass; von hervorragender Bedeutung für die wissenschaftliche Erforschung der Textgenese von Weiningers Hauptwerk sowie zur Biographie des umstrittenen Philosophen. Das Konvolut enthält in erster Linie Vorarbeiten und Entwürfe (teilweise mit Reinschriftcharakter) zu "Geschlecht und Charakter" und wohl auch zu "Eros und Psyche". Daneben finden sich Literaturzusammenstellungen und Zitate, Titelentwürfe, zahlreiche kleinformatige Notizzettel (vielfach stenographiert), Bibliotheksbestellscheine, Schulhefte, einige wenige Briefe, eine Photographie (Weiningers bekanntes Portrait für "Geschlecht und Charakter", verblasst) sowie kürzere autobiographische Betrachtungen: "[...] Noch eines. Als mir die Sachen einfielen dachte ich nicht ans Schreiben. Gedichte wie die Zoonomie des Großvaters Darwin bringen wir heute nicht mehr fertig. Auch meinte ich damals altklug genug für einen kaum Einundzwanzigjährigen, man müsse sich auch an seine eigenen Gedanken erst gewöhnen. Schließlich: ich steckte mitten im Fasching. Dass meine Wissenschaft z. Tl. auch aus dem Ballsaal stammt, ist ja keine Schande (Will man die Philosophen eintheilen in lachende, weinende und schwitzende, so hoffe ich jedenfalls einmal in die erste Kategorie zu kommen. Ist es also Philosophie, so ist es doch eine philosophie amusante!)." Im Hinblick auf Weiningers Ende sei abschließend folgende von seinem Vater Leopold eigenhändig unterfertigte Erklärung von der Hand Otto Weiningers genannt: "Erklärung. Der Gefertigte gibt seine Zustimmung, dass sein Sohn Otto Weininger, 21 Jahre alt, die Landsturm-Schützenschule des Wiener Schützenvereins besuche und dort mit Gewehr und Pistole umgehen lerne. Leopold Weininger, Goldarbeiter, Neubau, Breite Gasse 6. Wien, am 30. September 1901". Fast auf den Tag genau zwei Jahre später erschoss sich Weininger am 4. Oktober 1903 im Sterbehaus Beethovens in Wien.