"was geheime Militärjustiz an mir verbrochen": ein Spezialist für den zielgruppengenauen Versandhandel bewirbt sich bei einer Spedition

Hofrichter, Adolf, Militär und Giftmörder (1880-1945). Eigenh. Brief mit U. ("Adolf Hofrichter").

Möllersdorf, 11. III. 1919.

2 SS. auf Doppelblatt. 4to. Beiliegend Vorderseite des eigenh. adressierten Umschlags.

 2.500,00

An Eduard Rosin in Wien, Chef der Spedition Rosin & Knauer: "Euer Hochwohlgeboren! Herr Oberstleutnant Tlamsa hatte die Güte mir mitzuteilen, in welch liebenswürdiger, gütiger Weise Sie sich über mich erkundigten, und seine Worte lassen es mich wagen, diese Zeilen an Sie zu richten. Mein Schicksal, über das die Zeitungen ja stets so viel, leider auch so falsch berichteten, ist Ihnen ja bekannt, und wenn Sie seinerzeit die Wahrheit darüber erfahren werden, was geheime Militärjustiz an mir verbrochen, werden Sie vielleicht mehr als Mitleid mit mir empfinden. Darüber sowie über meine Kenntnisse und Leistungen kann Ihnen vielleicht Herr Oberstleutnant nähere Auskünfte geben. Und so wollen Sie mir denn im Vertrauen auf Ihre Herzensgüte gestatten, die ergebene Anfrage an Sie richten zu dürfen, ob es Ihrem edlen Mitleid nicht möglich wäre, mir eine entsprechende Anstellung zu verschaffen, die mich endlich vor Hunger befreit, ein Leben ermöglicht, eine Zukunft schafft. Ich bin bettelarm. Wochenlang irrte ich hungernd und darbend in den Straßen Wiens herum, vergebens eine Anstellung suchend. Menschenscheu zog ich mich hieher zurück, wo die Güte des Herrn Oberstleutnant mich vor Ärgstem bewahrte. Aber ich möchte gern meine Kenntnisse verwerten, arbeiten, wie ich es stets gewohnt war, um mir wieder ein Heim schaffen zu können. Wenn Euer Hochwohlgeboren gütiges Herz mir helfen könnte, wie wollte ich mein Leben lang dankbar sein. Meine Arbeit würde Ihnen meine Dankbarkeit beweisen. Ich wagte es nicht persönlich vorzusprechen. Verzeihen Sie das Wagnis dieser Zeilen und lassen Sie mich auf gütige Antwort hoffen [...]".

Gering braunfleckig; minimale Bugfalteneinrisse; am Gegenblatt in blauem Kugelschreiber bezeichnet "Hofrichter".

Der k. u. k. Oberleutnant Hofrichter wurde 1909 unter dem Verdacht verhaftet, an zwölf ihm in der Rangliste vorgereihte Generalstabsoffiziere als potenzfördernde Werbegeschenke getarnte Zyankalikapseln versandt zu haben, um so selbst in den Generalstab aufzusteigen. Ein Offizier starb nach Einnahme des Gifts. Nach einem in der Presse lebhaft verfolgten Militärprozess, eine der "causes célèbres" der verklingenden Monarchie, legte Hofrichter ein Geständnis ab, das er anschließend widerrief; er wurde wegen Mordes zu 20 Jahren Kerker verurteilt und in der Militärstrafanstalt Möllersdorf inhaftiert. Mit dem Ende der Monarchie wurde er amnestiert. Im Mai 1919 erneut verhaftet, bezog er wieder seine alte Zelle, bevor er im September förmlich begnadigt wurde. Er nahm den Namen "Adolf Richter" an, suchte während des 2. Weltkriegs vergeblich um Aufnahme in die Wehrmacht an und starb in den letzten Tagen des Jahres 1945 in Wien.