Eine Woche nach ihrer Verlobung - in Vorfreude auf den Winter mit Schiller in Weimar
Eigenh. Brief mit U. ("Lotte von Lengefeld").
4½ SS. auf 3 Bll. (ein Doppel-, ein Einzelblatt). 8vo.
€ 6.500,00
Langer, inhaltsreicher Brief an Goethes "Urfreund" Karl Ludwig von Knebel (1744-1834), geschrieben eben eine Woche nach dem "Lauchstädter Verlöbnis" mit Friedrich Schiller. Im dem damals kursächsischen Luxus- und Modebad Lauchstädt bei Halle (Saale) kurten im Sommer 1789 Charlotte und Caroline von Lengefeld. Beide Schwestern hatten sich in Schiller verliebt, als er 1787 völlig mittellos nach Rudolstadt gekommen war, sich für keine der beiden entscheiden konnte und über eine Dreierbeziehung nachdachte. Nach einem kurzen Besuch Schillers in Lauchstädt erreichte Charlotte hier sein in Leipzig geschriebener "Verlobungsbrief" vom 3. August.
Im vorliegenden Schreiben schwärmt Charlotte einerseits von den Werken Denis Diderots, andererseits ist sie erzürnt über sein Frauenbild: "Da H. von Stein eine Woche früher geht als wir, so schicke ich Ihnen hier den Diderot wieder, mit dem schönsten Dank, er hat mich von neuem wieder sehr angezogen, zumahl da mir sein Geist lieber geworden ist, als da ich ihm zu erst las, in seinen oeuvres morales, sur l'amitié et les Passions, die ich vorigen Winter gelesen habe ist erstaunend viel wahres u. schönes. Nur in einem Stück bin ich unzufrieden mit ihm. Daß er keine guten Begriffe von die Frauens hat, er sagt wir wären unfähig wahre Freundschaft zu fühlen u. noch manches andere. Es kann aber sein daß er nur von denen spricht die er kennt, u. die französischen Frauen haben vielleicht diese Eigenschaften die er Ihnen zur Last legt [...]". Anschließend berichtet sie ausführlich von ihrem Aufenthalt in Lauchstädt und dem Kur-Alltag: "Ich hätte Ihnen schon früher geschrieben, das Baad erlaubt es aber nicht, u. nimmt den Kopf so ein [...]. Aus Halle haben wir einige interessante Menschen gesehen, als den Professor Meckel ein sehr geschickter Arzt, er ist recht wie er sein muß um den Leidenden Linderung zu schaffen[,] er hat so einen warmen Eifer für seine Kunst; wir gehen Donnerstag nach Halle u. ich freue mich seine anatomischen Praeparate zu sehen, die die merkwürdigsten in Deutschland sein sollen. Auch den Weltumseegler Forster, den Vater habe ich kennen lernen u. sehe ihm auch Donnerstag wieder, er hat viele Merkwürdigkeiten aus Tahiti [...]". In Vorfreude auf den mit Schiller verabredeten gemeinsamen Winter in Weimar schreibt sie: "Ich freue mich auch auf den Winter u. es ist der erste dem ich mit Vergnügen entgegen sehe, weil wir ihn in so guter Gesellschaft verleben werden [...] Empfehlen Sie uns den Geh[eimrat] Goethe wenn Sie ihm sehen".
Einige alte Sammlernotate am Briefkopf; tadellos erhalten.
Normalisiert gedruckt in: Briefe von Schiller's Gattin an einen vertrauten Freund, hg. von H. Düntzer (Leipzig 1856), S. 54 ff., Nr. 8.