Unbekanntes Manuskript-Herbarium in musealer Qualität

Schötz, Wolfgang, schwäbischer Apotheker (gest. 1695). Flora delicians, sive icones plantarum ex hortis, pratis et nemoribus nostratibus collectarum, artificisque penicillo exhibitarum studio Wolfgangi Schoetzij pharmacopaei Memmingensis.

Memmingen, 1676.

Lateinische Handschrift und Illustrationen auf Papier. 184 Bll. mit goldgehöhtem Titelblatt und zus. 292 Pflanzendarstellungen (davon 1 doppelseitig) in Aquarell und Gouache, zeitgenössisch bezeichnet und numeriert 1-290 (die Nrn. 45 und 149 doppelt vergeben). Grüner Halbleinenband des 19. Jhs. über marmorierten Deckeln. Folio (208 x 310 mm). In maßgefertigter Halbmaroquinkassette.

 65.000,00

Unikales, der Wissenschaft bislang unbekanntes Manuskript-Herbarium in musealer Qualität, angelegt für den Memminger Pharmazeuten Wolfgang Schötz durch einen nirgends genannten, doch offensichtlich ausgebildeten Künstler. Die fast 300 durchwegs beeindruckend qualitätvollen botanischen Aquarelle und Gouachen zeigen die wichtigsten mitteleuropäischen Heil-, Gift-, Gewürz- und Zierpflanzen, wie sie in den Gärten, Wiesen und Wäldern der freien Reichsstadt Memmingen vorkamen: Flöhkraut, Malve, Estragon, Zuckererbse, Prunelle, Löwenzahn, Ährige Teufelskralle (Rapunzel, Phyteuma spicatum), Schwalbenwurz (Asclepias vincetoxicum), Skorpionkraut (Echium), Kreuzblättrige Wolfsmilch (Euphorbia lathyris), Weiße Zaunrübe (Gichtrübe, Bryonia alba), Hirschkolbensumach (Rhus typhina), Klatschmohn (Papaver rhoeas), Tollkirsche (Atropa belladonna), Fingerhut (Digitalis), Gefleckter Schierling (Conium maculatum), außerdem prächtige Gartentulpen, Schwert- und Türkenbundlilien, die Himmelsleiter (Polemonium), Rose, Chrysantheme, Enzian, Narzisse, Berberitze etc. Die Blatt- und Blütenformen, oft auch die Wurzeln und Zwiebeln sind in hochrealistischer Genauigkeit abgebildet; gelegentlich wird die Darstellung durch nicht minder fein gezeichnete Käfer, Raupen und andere Insekten belebt. Die lateinischen und deutschen Beischriften in zwei verschiedenen Händen; einige der lateinischen Namen könnten von Schötz' eigener Hand stammen. Die Qualität der Zeichnung und des Kolorits reicht an die der annähernd zeitgleich entstandenen Studien des Nicolas Robert heran, dessen für den französischen Hof angefertigte Dokumentation der Pflanzen in den königlichen Gärten schon damals berühmt waren und es bis heute sind.

Der Apotheker Wolfgang Schötz (Schütz) wirkte auch als Gerichtsherr in seiner Heimatstadt Memmingen. Korrespondenz aus seiner Hand mit dem deutschen Merkantilisten und Alchimisten Johann Joachim Becker (1635-82) hat sich in dessen Nachlass in Rostock erhalten. Schötz galt als "der größte und stärkste Mann" der Stadt und musste 1695 von zehn Mann zu Grabe getragen werden (J. F. Unold, Geschichte der Stadt Memmingen [1826], S. 292).

Titelblatt etwas angestaubt und berieben. Im späteren 19. Jahrhundert, vermutlich anlässlich der Neubindung, in Bleistift foliiert 1-183, dabei die Reihenfolge der Blätter mit den Nrn. 18 und 19 sowie 67 und 68 vertauscht, die Blätter mit den Nrn. 244-249 irrig nach Nr. 237 gebunden. Einige Randeinrisse (teils alt restauriert); in den Blatträndern durchgehend etwas fingerfleckig und mit Feuchtigkeitsspuren bzw. (vor allem gegen Ende) Wasserrändern, die Gouachen jedoch farbfrisch und tadellos erhalten. Ein Meisterwerk der botanischen Illustration.

Art.-Nr.: BN#50968 Schlagwörter: , , ,