Bechstein, Ludwig, Schriftsteller (1801-1860). Eigenh. Brief mit U.

M[einingen], 12. V. 1859.

3½ SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 800,00

An einen namentlich nicht genannten Freund: "Sankt Mamertus machte gestern eine Faust und brachte mir statt eines Maistraußes einen Husten, der ohnehin nur in ganz milden Tagen arg bleibt, so daß ich mich an den Gedanken gewöhne, Freund Hain wolle sich mit meiner Lunge in eine mir feindliche Verbindung setzen. Auch gut, ich fange an, des Lebens fast müde zu werden. Wenn ich jetzt nach Liebenstein reisen sollte, so hätte ich nicht einmal dazu das Geld. Es ist schrecklich, aber es ist so. Sankt Pancratius zeigt sich galanter, als sein gestriger Vorgänger, u. alles prangt in voller Blüthenpracht. Da wirst auch du aufleben. Ich sende nun den leeren Korb behufs eines wohlthätigen Zweckes, wohlthätig nämlich für mich u. meinen Garten, der doch ein Stück meines Lebens bildet, mindestens im Frühling, und wo das Naturleben doch auf halbe Stunden bisweilen das arge Treiben der gottverfluchten politischen Gauner und Harlekine, wie dieser Napoleon einer ist, vergessen läßt [...] Ich habe eine wundervoll schlagende Nachtigall im Garten, der ich immer Mehlwürmer hinlege. Gestern sitze ich in der Laube, habe in einem Illuminationslampenglas 2 Mehlwürmer, dicht über mir sitzt die Nachtigall und ich denke, sie soll kommen, und sich das Mehlwurmfrühstück schmecken lassen. Plötzlich kommt, ohne mir guten Morgen zu sagen, ein schnödes Finkenweibchen, stößt wie ein Habicht auf das Glas zu, setzt sich auf den dasselbe haltenden Drath, schlingt im Nu beide Mehlwürmer hinunter und eilt ohne Adieu mit gleicher Schnelle wieder von dannen [...] Am 15. geht Kulmbacher nach Liebenstein, und wir können unsre Reise dorthin vorbereiten. Ich gedenke eine Partie Weinfässer loszuschlagen, zum Reisegeld. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott, sagt das Sprichwort. Was thu ich mit leeren Säcken? [...] Ich schließe und sehe mit Freude dem Blumenbeet entgegen [...]".

Tadellos erhalten.

Art.-Nr.: BN#51616 Schlagwort: