Im Einband des Meisters Mathias aus Wien

(Ebendorfer, Thomas, von Haselbach, Theologe und Historiograph [1388-1464]). Sermones de poenitentia et restitutione (Poenitentiale). Sermones de confessione.

(Wohl Wien, nach 1460).

Lateinische Handschrift (Bastarda in schwarzer Tinte) auf Papier. (4 w.), 365 num., (6 w.) Bll. (fol. 37 vacat; die zeitgenöss. hs. Foliierung weitergeführt 366-370). Mit 16 hübschen 4-zeiligen Initialen in Gold und Farben, zahlreichen Lombardinitialen in rot (und teils blau) sowie teilweiser Rubrizierung und Randauszeichnung in rot. Holzdeckelband der Zeit mit Schweinslederbezug und Blindprägung, signiert vom Wiener Meister Mathias. 3 der ursprünglich 10 Metallbuckel, 7 der 8 Kantenbeschläge sowie die Schließenhaften am Vorderdeckel und die originalen streicheisenverzierten Schließbänder (ohne Schließen) erhalten. Kopf und Schwanz krenelliert. Kl.-Folio (ca. 235 x 306 mm).

 50.000,00

Umfangreiche Sammlung von zumeist späten Predigtfolgen des vielseitigen österreichischen Theologen Thomas Ebendorfer aus Haselbach bei Korneuburg, der insbesondere für seine "Cronica Austrie" bekannt ist und lange Jahre als Professor sowie mehrfach als Dekan und Rektor der Wiener Universität wirkte. Sämtliche hier vorliegenden Schriften finden sich - in etwas anderer Reihenfolge - auch in der Wiener Handschrift Cod. 4041, dem Autograph des Verfassers. Sie umfassen einerseits die verhältnismäßig weit verbreiteten "Sermones de confessione" (eine Folge von acht Predigten) in Ebendorfers Bearbeitung von 1447, andererseits eine unter dem Titel "Poenitentiale" gefasste Gruppe von 25 Abhandlungen über Buße, Reue, Genugtuung, Schulden, Wucher, Pfand, Testamente und verwandte Themen (1456-1461). Die letztere Sammlung scheint nach Lhotsky über die Originalniederschrift hinaus "nicht weiter verbreitet worden zu sein": Zwar haben sich einzelne Abschnitte davon noch in anderen Handschriften ermitteln lassen (UB Eichstätt, Cod. st 761: Lhotsky 134, 110, 102, 111, 112, 132, 133; Wien, Schottenstift, Cod. 387: Lhotsky 110, 102, 111), doch ist diese Folge offensichtlich äußerst selten überliefert und in dieser Geschlossenheit sonst nur im Autograph in der Österreichischen Nationalbibliothek nachgewiesen. Es liegen im Einzelnen vor:

Bl. 1r: Collationes de ieiunio (Lhotsky 134), neun Predigten; am Schluss (Bl. 36vb) unmittelbar anschließend das Gedicht "Gloria, laus et honor ... Apicum hic scriptor quem Haselpach vexit ad ortum ut prece placatus sit deus ipse pius" (Lhotsky 136); der Rest der Spalte sowie das Folgeblatt 37 vacat.

Bl. 38r: Tractatus de contritione (Lhotsky 110, inc. "Ait dominus per prophetam" - durch die eingemalte Initale "S" falsch zu "Sit ..." verändert); bricht Bl. 42va ab (mit Randvermerk "hic non est defectus") und fortgesetzt Bl. 43ra; zu Bl. 72r ein beidseitig von einer anderen Hand beschr. Blatt Quer-8vo eingeschaltet; expl. Bl. 82va "... suo pondere ad aliud trahit. Sic est finis huius primae partis".

Bl. 82rb: Collationes de confessione (Lhotsky 102), inc. "Ecce nunc tempus"; expl. Bl. 135va "Expliciunt collationes Mgri Thomae d'Haslpach De confessione".

Bl. 135vb: De satisfactione (Lhotsky 111), zehn Predigten; inc. "Reddite ergo omnes debita. Ita hortatur".

Bl. 180rb: Tractatus specialis de restitutione que est pars satisfactionis (Lhotsky 112), inc. "Reddite omnibus debita. Ita praecipit".

Bl. 185ra: Sermo secundus de restitutione (Lhotsky 113).

Bl. 190ra: De restitutione rapine (Lhotsky 114).

Bl. 196ra: De contractibus emptionis (Lhotsky 115).

Bl. 207rb: De mutuo faciendo (Lhotsky 116).

Bl. 212vb: De usura et iudeis (Lhotsky 117).

Bl. 218vb: De usura (Lhotsky 118).

Bl. 224rb: Collatio tertia de usuris (Lhotsky 119).

Bl. 232rb: Collatio de restitutione usuarum (Lhotsky 120).

Bl. 238ra: Collatio secunda de restitutione usure (Lhotsky 121).

Bl. 243rb: Collatio de restitutio pignorum (Lhotsky 122).

Bl. 247rb: Sermo de solutionibus debitorum (Lhotsky 123).

Bl. 251va: De restitutione vinctorum (Lhotsky 124).

Bl. 255va: De testamentis (Lhotsky 125).

Bl. 260va: De locatione et conductione (Lhotsky 126).

Bl. 264rb: De comodato (Lhotsky 127).

Bl. 266va: De custodiendo et servando deposito (Lhotsky 128).

Bl. 271ra: De restitutione dampnificancium in corpore proximum (Lhotsky 129).

Bl. 276rb: De restitutione dampnificatorum in bonis anime (Lhotsky 130).

Bl. 281va: Collatio de restitutione fame ablate (Lhotsky 131).

Bl. 286ra: Collationes de elemosina (Lhotsky 132), sieben Predigten.

Bl. 315ra: Collationes de oratione (Lhotsky 133), elf Predigten; im Rand von Bl. 329v Datierung "1460"; expl. Bl. 365rb: "Et sic est finis illarum collationum".

Von den 26 Einzelabschnitten sind 16 durch kleine, aber sehr sorgfältig in Gold und Farben ausgeführte Initialen geziert, die übrigen durch Lombarden. Gebunden in einen schönen, unmittelbar zeitgenössischen gotischen Schweinslederband des Wiener Meisters Mathias mit dessen typischen Gestaltungsmerkmalen: Um das große Mittelfeld zwei von dreifachen Streicheisenlinien flankierte Rahmen, die im äußeren oben und unten Spitzbogen, seitlich Blütenstempel tragen; im inneren Rahmen durchwegs das Schriftband mit dem Namen "mathias". Das Mittelfeld mit acht diagonalen Bändern von punktierten Winkelhaken, die das Feld in sieben Rauten und zehn Randdreiecke gliedern; in den Rauten ganze und halbe Blüten, in den Kreuzungsfeldern der Bänder andere Blütenstempel. Am Rücken vier Doppelbünde, dazwischen Winkelhaken- und Blattstempelreihen. "Unter den Wiener bürgerlichen Buchbindermeistern muß an erster Stelle Mathias genannt werden, dessen Name uns durch den von ihm verwendeten Schriftbandstempel bekannt ist. Sein Wirken ist in die Zeit von etwa 1450 bis 1474 zu belegen. Er war es, der den klassischen Wiener Einbandstil hervorbrachte, der vielfach nachgeahmt, aber nie erreicht wurde [...] Unter [den Arbeiten mit Mathias' Stempeln] befinden sich auch Einbände für Kaiser Friedrich III. [...] Die erste Blüte des Mathias ist um 1460 anzusetzen [...] Gegenüber der Konkurrenz konnte sich Mathias behaupten; er wurde sehr stark nachgeahmt, so daß die Mehrzahl der Wiener Einbände deutlich unter seinem Einfluß steht" (H. Kühnel, Ausstellung Gotik in Österreich, Krems 1967, S. 265).

Es fehlen am Vorderdeckel drei und am Hinterdeckel vier der ursprünglich je fünf Messingbuckel, ferner die Schließhaken. Geringfügige Wurmspuren am Hinterdeckel, der Vorderdeckel stellenweise minimal beschabt. Vorderes Gelenk oben leicht angeplatzt. Im Text mehrere Nachträge bzw. Einschübe von anderer, zeitgenössischer Hand in Marginalien und auf Einschaltblatt; zahlreiche eingemalte Fingerweiser. Von Bl. 217 bis 229 kleine Wurmspur in der oberen Ecke (gelegentliche Berührung der Paginierung).

Provenienz: Aus der Bibliothek der Serviten in der Wiener Rossau mit ihrem gestochenen Exlibris des 18. Jhs. am vorderen Innendeckel (eine kleinere Variante sowie verblasster Stempel am ersten Blatt recto); hs. Signatur "MS 73" (alt: 30); Spuren eines weiteren Stempels am vorderen Innendeckel. Ein prachtvoller Wiener Codex mit Schriften eines der großen Wiener Gelehrten des Spätmittelalters, im originalen Einband des führenden Wiener Buchbinders der Gotik.

Literatur

A. Lhotsky, Thomas Ebendorfer: ein österreichischer Geschichtschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jahrhunderts (Stuttgart 1957), Nrn. 102, 110-134, 136.

Zum Einband: Kyriss K 51; Schunke, Schwenke-Slg. II, 283; Einbanddatenbank w000166; Mazal, Europ. Einbandkunst, Nr. 29.

Art.-Nr.: BN#51852 Schlagwörter: , ,