Kollektaneen des Biedermeier

[Kollektaneenbuch]. "Die große Mauer in China" (incipit).

Wohl Süddeutschland/Österreich, 1820er Jahre.

Deutsche Handschrift auf Papier, überwiegend von einer einzigen Hand. 200 Bll. mit 376 beschr. SS. in 20 separat gehefteten Faszikeln sowie 7 lose eingelegten Bll. Zusammen in zeitgenössischem Papierumschlag mit durchzogenem Bindeband. 4to (ca. 220 x 265 mm).

 650,00

Hübsches Zeugnis aufmerksamer Lesetätigkeit aus verschiedenen Wissensgebieten, großteils von einer Hand und insgesamt wohl nur von zwei Schreibern. Vorrangig aus der "Neuesten Länder- u. Völkerkunde" des Theophil Friedrich Ehrmann (Prag 1820-23) zusammengestellt (12 Faszikel), wobei allein die Betrachtungen über Asien drei Faszikel ausmachen, bietet die Sammlung geographische, wirtschaftliche und kulturhistorische Angaben zu verschiedenen Ländern und Kontinenten: So wird etwa im Abschnitt über das Kaisertum Österreich die Einwohnerzahl der Monarchie für das Jahr 1822 mit 29,437.600 beziffert, während sich die Staatseinkünfte auf knapp 140 Millionen Gulden beliefen.

Den zweiten wesentlichen Teil, wenn auch nur einen Faszikel umfassend, bildet eine stattliche Sammlung an Schillerzitaten, darunter aus den Dramen "Maria Stuart" und "Die Braut von Messina", den Gedichten "Das Geheimnis" und "Die Begegnung" sowie theoretischen Schriften wie "Über die tragische Kunst", "Die Antiken in Paris" und "Über das Pathetische". Im selben Faszikel auch einige Zitate aus Werken anderer Schriftsteller wie Johann Gaudenz von Salis-Seewis, Albrecht von Haller und Johann Georg Sulzer sowie Sokrates und Horaz. Außerdem Notizen zu Fremdwörtern und griechischen bzw. römischen Gottheiten, nebst einem Exzerpt über die Laokoongruppe aus der "Geschichte der Kunst des Alterthums" des Johann Joachim Winckelmann (2. Aufl., Wien 1776).

Außerdem 4 Faszikel vermischten Inhalts, darunter: Altdeutsche Sprichwörter, Bauernregeln, eine Tabelle mit Zeitangaben des Sonnenauf- und -untergangs im Jänner (mit der Notiz "Die Uhren gehen zu früh") sowie ein Rezept zur Herstellung "vortrefflicher schwarzer Tinte". Weiters Notizen über die Angabe des Feingehalts für Gold und Silber, den vermeintlichen Zusammenhang zwischen der Viersäftelehre und dem Lachen ("lachen sanguinische mit hi hi hi [...]") sowie Informationen über Bauwerke wie den Porzellanturm in Nanjing, den Petersdom und Westminster Abbey. Ferner Überlegungen zur Arzneikunde sowie eine zoologische Abhandlung über die Anakonda, welche "von furchtbarer Kraft" sei.

Die übrigen 3 Faszikel umfassen Auszüge aus der "Universalhistorie alter, mittlerer und neuer Zeiten" des Abts Millot (erste Wiener Ausgabe, Haas, 1793-94), Szenen aus dem Neuen Testament sowie Informationen über die chinesische Mauer (darunter die ersten 3 Strophen aus Schillers "Ein Gebäude steht da...") und eine Episode aus dem England des Jahres 1799, als Brotknappheit drohte: "Die Minister und das Parlament wußten kein Mittel, um das ungeheure Deficit auszufüllen, als ein Mitglied ein sehr Einfaches vorschlug [...] Er bewies, daß, wenn man es dahin bringen könnte, nur altgebacken Brot zu essen, der Brotverbrauch um ein Viertel vermindert und so das Deficit bis zur Ernte gedeckt würde [...]".

Bemerkenswerte Zusammenstellung in gutem Erhaltungszustand mit geringen Randläsuren. Der ungewöhnliche Umschlag am Rücken an einer Stelle eingerissen. Papier durchgehend leicht gebräunt.