[Briefsteller - Gellert, Christian Fürchtegott]. Briefe, und Abhandlung vom guten Geschmacke in Briefen.

Wohl Deutschland, um 1810.

Deutsche Handschrift in brauner Tinte auf Papier. (1 w. Bl.), Titelblatt (untere zwei Drittel angesetzt), 210 (recte: 208) num. SS. (S. 124/125 in der Zählung übersprungen), die letzten 3 weiß. Schöner Halblederband der Zeit mit rotem und grünem Rückenschildchen. Buntpapierspiegel. Lesebändchen. 8vo (125 x 187 mm).

 950,00

Sehr hübscher und sauber geschriebener, privat angelegter Briefsteller, auszugsweise beruhend auf C. F. Gellerts Klassiker "Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen" (erstmals 1751 erschienen und vielfach aufgelegt), vom Schreiber ausgezogen bzw. paraphrasiert und in der zweiten Hälfte ausführlich durch eigene Ausführungen und Briefmuster ergänzt.

Die Handschrift beginnt mit einer Paraphrase von Gellerts berühmter Briefdefinition: "Das erste, was uns bey einem Briefe einfällt, ist dieses, daß er die Stelle eines Gespräches vertritt. Er ist aber kein ordentliches Gespräch". Sie folgt dem gedruckten Text teils wörtlich, teils gekürzt, umschreibend oder mit eigenen Zusätzen; ab Seite 86 folgt allerdings ein Kapitel "Von der äusseren Einrichtung der Briefe", das sich bei Gellert nicht findet und das die Formalien des Briefes behandelt: die Beschaffenheit des Papiers, die Stellung der Anfangs- und Schlussworte, unanständige Anreden, Couvert, Siegel und Petschaft etc. Auch die diesem Kapitel folgenden Briefbeispiele finden sich nicht bei Gellert und bilden wohl vom Schreiber selbst erfundene Vorlagen: "An eine Freundinn" (gezeichnet "Vergießmeinnicht"), "Schreiben eines Sohnes an seinen Vater", "Antwort eines Bruders an seine Schwester welche ihm geschrieben, daß sie miteinander aus der Lotterie gewonnen" ("Ich und Du aus der Lotterie gewonnen? Und noch dazu zehn Dukaten? Potz Stern! Die sind mir herrliche Medizin für einen gehkranken Studenten"), an einen hochwürdigen Dechanten, "Schreiben eines Frauenzimmers an einen Verwandten, Oder Glückwunsch zur Geburt eines Kindes", "Abweisungsschreiben" ("Ich liebe noch zu sehr die Freyheit, bin noch zu jung"), "An Herrn Pfarrer L. (von Karlsbaad)": "Ich habe hier mit unserem deutschen Voltaire, dem Hofrath von Göthe zu sprechen die Ehre gehabt. Er ist sehr für die französische Nazion eingenommen, und hauptsächlich für Napoleon. Wie kann es auch anders seyn, da sich Napoleon zu ihm in Waimar (!) selbst zu Tische geladen hat [...] Zu meinem Vergnügen ließ sich hier ein durchreisender Tonkünstler [...] auf der Quittarre hören, einige Lieder vom Schiller" (S. 136f.), "An einen Freund welcher Schwager und Handlungs-Compagnion wurde", "Danksagung für freundschaftliche Gesinnung", "Danksagung für angebotene Freundschaft", "An einen vornehmen Freund für geschenktes Zutrauen", "Danksagung eines Fräuleins an eine Tante für ein Geschenk" etc.

Auf S. 155 orientiert sich der Schreiber wieder am gedruckten Text (S. 311), nämlich am letzten bei Gellert abgedruckten Brief: "An den Herrn Baron Gr. Vom Lande". Es folgen in der Handschrift noch ein Glückwunschschreiben, die Erzählung einiger Reiseabenteuer, ein Mahnschreiben "An einen üblen Bezahler", eine Darlehens-Rückforderung an einen Edelmann und ein "Anhang", in dem auf die Bedeutung einer leserlichen Handschrift hingewiesen und Rezepte für "gute und fließende Tinte", das Schneiden der Federn und die Herstellung einer ledernen Federmappe weitergegeben werden.

Hübsch gebunden, die Einbanddecken unbedeutend fleckig. Grünes Rückenschildchen mit den Initialen "A.B.". Vorsatz mit eigenh. Besitzvermerk des tschechischen Malers Josef Ferdinand Hettes (1864-1927). Untere zwei Drittel des Titelblatts ergänzt, sonst sehr wohlerhaltenes, sauberes und amüsantes Dokument der Briefkultur um 1800.