[Album amicorum]. Stammbuchkassette des Rudolf Ritter Speil von Ostheim.

Wien & Bad Vöslau, 1883-1888.

Deutsche Handschrift auf Papier. 95 Bll. mit 38 Einträgen. Mit 4 ganzseitigen Bleistiftzeichnungen, 1 gouachierten und lavierten Federzeichnung, 2 Vignetten in Blei sowie einer Notenzeile. Schweinslederkassette der Zeit mit blindgepr. Deckelbordüre und Supralibros aus Messing mit gekröntem Monogramm "RO" auf dunkelgrünem Samt und Eckbeschlägen. Die Bll. mit Goldschnitt, teils farbig.

 750,00

Charmantes Freundschaftsalbum des Wiener Juristen Rudolf Speil von Ostheim (geb. 1868), der anhand des Beitrags seines gleichnamigen Cousins vom 23. Jänner 1884 identifiziert werden kann. Das Album wurde noch zu Ostheims Schulzeit, wohl am Wiener Theresianum, angelegt. Der bekannteste Einträger ist der spätere Kirchenrechtsprofessor Max Hussarek von Heinlein (1865-1935), der von 1911 bis 1917 als Unterrichtsminister in drei Kabinetten diente und von Juli bis Oktober 1918 als vorletzter Ministerpräsident Kaiser Karls I. fungierte. Ein weiterer Schüler des Theresianums war der Jurist und Professor der Universität Wien Alfred Rt. von Wretschko (1869-1941), der seinen Beitrag von Mai 1883 um eine ganzseitige Ansicht von Schloss Maria-Loretto am Wörthersee in Blei bereicherte. Ebenfalls hervorzuheben ist der schöne, mit Bleistiftzeichnung verzierte Beitrag des polnisch-österreichischen Chemikers und Alpinisten Tadeusz Smoluchowski (1868-1936), älterer Bruder des bedeutenden Physikers Marian Smoluchowski. Beide Brüder waren begeisterte Bergsteiger, die gemeinsam 16 Erstbesteigungen und 24 neue Routen verzeichnen können. Rudolf Speil von Ostheim dürfte selbst als Bergsteiger aktiv gewesen sein, denn der späteste Beitrag, gezeichnet "Victor", ist ein dem "Genossen der Venedigerpartie zur freundlichen Erinnerung an den August 1888" gewidmetes Musikzitat.

Unter den weiteren Einträgern finden sich zahlreiche Verwandte von Ostheims, darunter seine Geschwister und sein Vater und die Cousinen Mitzi, Clementine und Johanna Schirnhofer, die je eine ganzseitige Bleistiftzeichnung anfertigten, wovon eine schöne Ansicht des Altausseer Sees hervorzuheben ist. Der bereits erwähnte Beitrag des gleichnamigen Cousins ist besonders aufwendig mit kalligraphierten Zitaten Schillers und Goethes sowie einem lavierten Doppelportrait der beiden Dichter in gouachiertem Lorbeerrahmen gestaltet. Ebenfalls Schiller zitiert Charlotte Reithoffer, Schwiegertochter des österreichischen Unternehmers Johann Nepomuk Reithoffer (1781-1872), aus dessen Gummi- und Guttaperchawarenfabrik in Wimpassing 1912 die Firma Semperit hervorging. Unter den vielen weiteren weiblichen Einträgerinnen ist ein Mitglied des alten deutschen Adelsgeschlechts von Schieben, aber auch eine "lustige Ella aus Berlin", die sich mit einem längeren Gedicht am 15. August 1885 in Bad Vöslau verewigte.

Vereinzelte Blätter minimal angeschmutzt. Die Bleistiftzeichnungen durch Transparentpapier geschützt.

Art.-Nr.: BN#54077 Schlagwörter: , , , ,