"Der ganze Harem ist futsch"

Löwenstein, Oscar, Zeitungsherausgeber (1868 - ca. 1955). Eigenh. Brief mit U.

Wien, 15. VIII. 1899.

2 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 140,00

An eine Freundin mit Bedauern, nicht ebenfalls auf Sommerfrische zu sein: "Seit vorgestern bin ich wieder eingerückt u. empfing gestern Ihre freundlichen Zeilen aus Scheveningen, für welche ich Ihnen herzlichst danke. Sie haben es gut, Sie können, wenn Sie wollen, dort in den Wogen plätschern, ich dagegen muß den Wiener Staub schlucken u. keine weißgekleideten Mädchen sind da, die mir das Dasein versüßen u. mit mir Brücken bauen. Der ganze Harem ist futsch, alles was ich liebe u. was meinem Herzen teuer ist, ist auf der Weide u. stärkt sich für die Anstrengungen der Winter Campagne. Mir wird, verzeihen Sie das harte Wort, weich, knicken thue ich zwar täglich, aber keine Mädchenherzen sondern etwas anderes. Auch die Genossen meiner Schmach sind fern von Madrid, Lippowitz der Schöne [i. e. der Journalist und Schriftsteller Jakob Lippowitz, 1865-1934] weilt in Marienbad, um noch einmal gründlich frische Luft zu schnappen, bevor er für unabsehbare Zeit ins Zuchthaus wandert u. der biedere Krotosyner hockt in Häringsdorf u. erzählt Jedem die Geschichte seiner ersten Ehe. So bin ich denn also verwaist zurückgeblieben u. lasse mich allabendlich von neuem von den Champagner Damen in Venedig trösten. Auf meiner Sommerreise habe ich mich großartig amüsirt u. freue mich schon sehr auf Ihre Rückkehr, um Ihnen alles, mit Ausnahme einiger confiscirbarer Stellen, haarklein mitzuteilen [...]".

Auf Briefpapier mit gedr. Briefkopf des "Neuen Wiener Journals".

Art.-Nr.: BN#56988 Schlagwörter: , ,