"All mein Mitleid kann sich nicht in Liebe verwandeln": Cosima Wagners Verhältnis zu ihrer Mutter Marie d'Agoult

Wagner, Cosima, Tochter Franz Liszts und zweite Gattin von Richard Wagner (1837-1930). Eigenh. Brief mit U. ("Cosima").

Tribschen, 30. VI. 1871.

2 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 1.500,00

Intimer französischsprachiger Brief an ihre Halbschwester Claire de Charnacé (1830-1912) eine plötzliche psychische Erkrankung ihrer Mutter Marie d'Agoult (1805-76) betreffend. Trotz Cosima Wagners distanziertem Verhältnis zur Mutter, das durch den Konflikt zwischen d'Agoult und dem Vater Franz Liszt schwer belastet war, zeigt sie sich im Brief überaus besorgt und mitfühlend, auch ihrer Halbschwester gegenüber, zu der sie ein inniges Verhältnis pflegte: "Arme Liebe, welch traurige Dinge Sie mir mitteilen und Sie aushalten müssen! Ich kann mir eine so plötzliche Krankheit nicht erklären, der letzte Brief von Mutter datiert vom 15. Juni und ist völlig vernünftig. Ich muss gestehen, dass ich seit den Ereignissen, die sie ferngehalten hatten, einen Rückfall befürchtete; als ich sie hier sah, fand ich sie bei so guter Gesundheit, dass ich völlig beruhigt war, wobei mich ihre große Zerstreutheit überraschte, aufgrund derer sie dieselben Dinge 5 oder 6 Mal fragte. Aber ich sagte mir, dass ihre Gedanken woanders waren, dass sie aus Höflichkeit fragte und die Antworten nicht hörte. Ich wusste nicht, worauf ich 'Rasen geben' beziehen sollte, da es unserem Garten nicht daran fehlt und wir haben überhaupt nicht über hier zu machende Arrangements gesprochen. Warum wurde Mama nach Paris zurückgebracht? Sie hat mir geschrieben, dass sie bis auf weiteres in St. Lupicin bleiben wird und ich habe ihr geschrieben, dass sie besser nach Tribschen kommen sollte, statt zu diesem Zeitpunkt nach Paris zurückzukehren. Denken Sie, dass ich ihr schreiben soll, soll ich sie auf ihre Krankheit ansprechen? Weiß sie, dass sie phantasiert? [...] Ich bin tief betrübt durch diese Neuigkeit und alles was Mama betrifft, macht mich schrecklich trübsinnig. Ich glaube nicht, dass es ein trostloseres Leben auf der Erde gibt als das Ihre und all mein Mitleid kann sich nicht in Liebe verwandeln. Es sind gerade diese dunklen Stunden, in denen ich die wohltuende Wirkung meiner häuslichen Tätigkeiten fühle; jeden Tag dieselben Dinge zur selben Zeit zu tun zu haben und sie mit Liebe zu tun, einen Vogel zu hören, einen Berg von hier und dort zu betrachten, die Welt zu vergessen - das sind meine Ressourcen und meine Stützen [...]".

Mit Sammlervermerken in Blei. Drei Quetschfalten, ein Einriss im Falz mit Textberührung und kleinere Einrisse ohne Textberührung. Minimal fleckig.

Art.-Nr.: BN#58741 Schlagwort: