"Lieber Freund! Von dem Gedanken ausgehend, dass die höchste Auszeichnung für den Schaffenden in der Anerkennung liegt..."

[Wiener Werkstätte - Koloman Moser / Josef Hoffmann?]. Präsentationsschatulle mit 127 Glückwunschkarten namhafter Schriftsteller und Künstler für den Wiener Humoristen Eduard Pötzl.

Wien, 1910/1911.

Rotgefärbtes Leder mit goldgepr. geometrischem Dekor, eingeschraubte Füße aus versilbertem Messing. 17,7 x 18 x 18 cm. Darin 127 beschriftete Karten im Format 150 x 150 mm.

 45.000,00

Prachtvoll präsentierte Sammlung von 127 Glückwunschkarten mit persönlichen Widmungen bedeutender österreichischer und deutscher Schriftsteller und Künstler, darunter Thomas Mann, Hermann Hesse, Marie von Ebner-Eschenbach und Arthur Schnitzler. Die aufwendige Schatulle, ein Meisterwerk der Wiener Werkstätte in Gestalt eines Häuschens mit asiatisch eingebogener Giebelform, ließ der aus dem württembergischen Schelklingen eingewanderte Wiener Verleger Robert Mohr zum 60. Geburtstag seines vielleicht wichtigsten Autors, des Wiener Humoristen Eduard Pötzl (1851-1914), zum 17. März 1911 maßfertigen. Der Entwurf stimmt in vielen Details mit dem einer Postkartenkassette überein, die Koloman Moser unter Mitarbeit von Josef Hoffmann 1906 für die "K. u. K. Militärpost in Bosnien-Herzegowina" schuf (WW-Archiv, MAK Wien, s. u.). Das vorliegende Gegenstück trägt zwar lediglich den goldgeprägten Stempel der "Wiener Werkstätte", doch wurden im Vergleich zu der für Moser völlig typischen Entwurfszeichnung hier lediglich die vier Beine durch originelle Füßchen in Form vierseitig eingedrückter Oliven und eine am Giebel angebrachte Reihe von Kügelchen durch einen dekorativen Saum aus Goldpunzen ersetzt, weswegen der Entwurf unproblematisch Moser zugeschrieben werden kann. Die Postkassette wurde wohl etwa zeitgleich mit der vorliegenden Schatulle ausgeführt, Ende 1910 oder Anfang 1911, zu welchem Zeitpunkt Moser selbst nicht mehr für die Wiener Werkstätte tätig war - ein Umstand, der die Nennung Hoffmanns als ausführender Künstler begründet haben dürfte.

Auf der Deckelinnenseite findet sich die goldgeprägte Widmung des Verlegers mit dem Geburtstag des Jubilars. Zur leichteren Entnahme der lose einliegenden Gratulationskarten klappt die Vorderseite der Schatulle an einem Gelenk herab - eine Besonderheit der Wiener Kassettenmachertradition. Die Widmungen sind durchwegs auf vorgedruckten quadratischen Karten mit dreifacher Einfassung und dem Datum von Pötzls 60. Geburtstag ausgeführt. Unter den vielen namhaften Beiträgern, die einen Querschnitt durch die nicht nur Wiener Künstlerwelt des noch jungen Jahrhunderts bilden, verdienen noch Erwähnung Peter Altenberg, Raoul Auernheimer, Hermann Bahr, Vincenz Chiavacci, Felix Dahn, Josef Engelhart, Franz Karl Ginzkey, Max Kalbeck, Alexander Roda Roda, Peter Rossegger, Felix Salten, Hugo Salus, Richard Schaukal sowie Jakob Wassermann.

Der ausgebildete Jurist und Eisenbahnbeamte Eduard Pötzl wandte sich früh dem Journalismus zu und wurde erfolgreicher Redakteur des auflagenstarken "Neuen Wiener Tagblatts". Er verfasste Gerichtssaalberichte, satirische Skizzen der Wiener Gesellschaft, Kurzgeschichten und Humoresken (vgl. Giebisch/G. 305 f.). Die Stadt Wien ehrt ihn mit einem Ehrengrab am Zentralfriedhof und einer Gasse im 19. Wiener Gemeindebezirk.

Scharnier minimal verzogen; unbedeutender Fleck auf der Vorderseite des Deckels, ansonsten von tadelloser Erhaltung.

Literatur

Vgl. Wiener Werkstätte-Archiv, MAK Wien: Modell Nr. BL 428; Inv. Nr. KI 12564-8 (Entwurf), WWF 100-65-1 (zeitgenöss. Photographie)