Gästebuch eines Opernfreundes mit Einträgen von u. a. Ferruccio Busoni, Wilhelm Furtwängler, Alexander Glasunow, Jascha Heifetz, Barbara und Wilhelm Kempff, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Fritz Kreisler, Ernst Krenek, Rudolf und Willem Mengelberg, Darius Milhaud, Sergei Prokofjew, Sergei Rachmaninow, Hermann Scherchen, Max von Schillings, Arthur Schnabel, Franz Schreker, Richard Strauss, Igor Strawinsky, Joseph Szigeti, Richard Tauber, Bruno Walter und Eugene Ysaye.
122 beschr. SS. mit über 1500 Eintragungen auf 76 Bll. Originallederband mit appliziertem Holzdeckel. 4to.
€ 12.500,00
"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", wie Hermann Hesse einst schrieb, und manch einem Buch ein Rätsel, das um so größer wird, je länger man es anstarrt: Das vorliegende Gästebuch beginnt mit dem 3. Februar 1901, an dem u. a. Arthur Nikisch, Lulu Mysz-Gmeiner, Max Dessoir und seine Gattin Susanne zusammentrafen. Nach zwei weiteren Einträgen im selben Jahr folgen zahlreiche undatierte Unterschriften, dann zwei Einträge a. d. J. 1907 und dann lange nichts. Erst 13 Jahre später nimmt die Geselligkeit an Fahrt auf und zählt schließlich 31 datierte Einträge in den Jahren von 1920 bis 1935. Da nirgendwo eine Angabe über den Ort der Zusammenkünfte zu finden ist, dürfte es sich nicht um ein Gästebuch handeln, das in der Welt herumgekommen ist; Worte des Grußes oder des Dankes sucht man ebenso vergeblich, auch sein Halter wird mit keinem Wort erwähnt. Einzig die Überschrift zu einer Veranstaltung am 19. November 1931 gestattet es, den Ort seiner Verwendung näher zu lokalisieren: "Empfang zu Ehren des Herrn Monteux (Orchestre Philh de Paris) 19. Nov. 31". Über die Gesellschaft, die sich da zusammenfand, findet sich eine kurze Notiz in den "Signalen für die musikalische Welt", die dann schließlich nach Berlin führt: "Das Orchestre Symphonique de Paris tritt im November unter Leitung seines Dirigenten Pierre Monteux seine erste deutsche Tournée an. In Berlin werden die französischen Gäste am 19. November mit einem rein französischen, sehr interessanten Programm auftreten" (H. 45, 89. Jg., 1931, S. 1063). Auch aus einigen weiteren Überschriften ist zu entnehmen, dass der oder die Halterin beruflich oder privat mit der Berliner Staatsoper in enger Verbindung gestanden haben muss: "Zum Jubiläum Artur Nikischs" (29. II. 1920), "Zu Ehren Mengelbergs" (22. X. 1922), "Zum Empfang Furtwänglers nach seiner Amerikafahrt" (18. IV. 1926), "Begrüßung Cortots" (19. I. 1930), "Empfang für Molinari-Rom" (11. X. 1932). Über das Konzert des italienischen Dirigenten mit den Berliner Philharmonikern, das ein "stürmischer Erfolg war", war ausführlich in den "Signalen" berichtet worden (H. 42, 90. Jg, 1932, S. 833 f.), dem Empfang zu Ehren Bernardo Molinaris wohnten u. a. Rudolf Bing, Gerda Busoni, Mischa Elman, Wilhelm Furtwängler, Wilhelm Kempff und Max Marschalk bei.
Unter den über 1500 Eintragungen finden sich annähernd sämtliche Namen jener, deren Stellung entweder schon gefestigt war oder die im Begriff waren, sich ihren Platz an der Spitze zu erkämpfen, darunter (teils wiederholt) Ralph und Josma Benatzky, Leo Blech, Ferruccio Busoni (und sehr häufig seine Witwe Gerda), Alfred Cortot, Eugene und Hermine d'Albert, Mischa Elman, Wilhelm Furtwängler (und häufig auch seine Gattin Zitla allein), Alexander Glasunow, Yvette Guilbert, Jascha Heifetz, Gustav Hollaender (und seine Gattin Adelheid), Bronislaw Huberman, Maria Ivogün, Philipp Jarnach und Gattin Amalie, Maria Jeritza (noch als Jedliczka), Barbara und Wilhelm Kempff, Leo Kestenberg, Jan Kiepura, Erich Kleiber, Otto Klemperer (und Gattin), Fritz Kreisler (und Gattin Harriet), Ernst Krenek, Leonid Kreutzer, Boris Kroyt, Frederic Lamond, Alma Mahler, Fritzi Massary, Eleonora, Felix Robert und Francesco Mendelssohn, Rudolf und Willem Mengelberg, Darius Milhaud, Karl Muck, Arthur Nikisch (bzw. Amélie und Mitja), Gregor Piatigorsky, Sergei Prokofjew, Sergei Rachmaninow, Édouard Risler, Fjodor und Marina Schaljapin, Hermann Scherchen, Max von Schillings, Arthur Schnabel, Ossip Schnirlin, Franz Schreker (und Gattin Maria), Leo Slezak (und Gattin), Richard Strauss, Igor Strawinsky, Joseph Szigeti, Richard Tauber, Bruno Walter (und Gattin), Ludwig Wüllner und Eugene Ysaye.
Neben den zahlreichen Prominenten aus Kunst und Kultur tummelten sich auf den Gesellschaften auch Diplomaten und höhere Verwaltungsbeamte, darunter die Schwiegertochter des damaligen französischen Botschafters Pierre de Margerie, Generalkonsul Bossi und Benno Hirschowitz, der zusammen mit seiner Frau "im gesellschaftlichen Leben Berlins seinerzeit eine bedeutende Rolle gespielt" hatte: Der litauische Generalkonsul "bewohnte in der Hohenzollernstraße eine Villa mit einer wertvollen Kunstsammlung, die im Jahre 1926 um mehrere hunderttausend Mark versteigert wurde". Ein, zwei Jahre zuvor hatte das Ehepaar noch mit angestoßen (27. II. 1924 und 22. II. 1925), nach der Versteigerung seiner Kunstsammlung und dem Diebstahl eines mit 25.000 Dollar versicherten Perlenhalsbandes übersiedelte es nach Paris und verlor 1929 infolge des Börsenkrachs sein Vermögen. Unter der Schlagzeile "Doppelselbstmord in Paris" titelte das "Neue Wiener Journal": "Der frühere litauische Generalkonsul in Berlin Benno Hirschowitz tötet sich und seine Frau" (Nr. 13.057 vom 28. III. 1930, S. 3).
An den Rändern teilweise leicht gebräunt, einige wenige Blatt mit kleinen Randeinrissen; es fehlen die Seiten 3/4 und 9/10; der Einband stellenweise etwas berieben. Ein Verzeichnis von über 200 namentlich identifizierten Beiträgern ist auf Anfrage erhältlich.