Brügel, Fritz, Diplomat und Schriftsteller (1897-1955). 3 ms. Briefe mit eigenh. U.

Zürich, Februar und März 1930.

Zusammen 2½ SS. 4to.

 180,00

Inhaltsreiche Briefe (wohl an den namentlich nicht genannten Musikhistoriker Otto Erich Deutsch) über die Beziehung zwischen Michail Bakunin und Ferdinand Kürnberger, die gemeinsam nach der Dresdner Revolution 1849 inhaftiert waren: “[...] es gibt scheinbar doch eine Duplizität der Fälle. Während wir die ‘Freyung’ vorbereiten und darin Ihre Bakuninpublikation, erscheint eine sehr interessante Arbeit, die ebenfalls unter anderem auf Kürnberger-Bakunin Bezug nimmt. Ich entnehme als Wichtigstes für Sie daraus, dass der Kürnbergersche Aufsatz ausser in der ‘Norddeutschen Freien Presse’ und der ‘Tageschronik’ in Bremen auch in Adolf Streckfuss’ Buch ‘Das Volksarchiv’, Berlin 1850 [...] abgedruckt wurde. Die Bakuninarbeit, von der ich spreche, stammt von B[oris] Nikolajewski, der noch mehr als Nettlau von all diesen Dingen weiss. Sie ist in russischer Sprache geschrieben [...] Ich habe Nikolajewski, der Sie natürlich zitiert, veranlasst, Ihnen ein Exemplar seiner Arbeit (Separatum) zu senden [...] Nun fragt mich Nikolajewski: a) ob es in Wr. Archiven Material über Bakunin noch gibt, das nicht auf die Gefängniszeit Bezug hat, b) ob es Material gibt über eine Verbindung Bakunins mit Ottendorfer und Haeffner, Mitglieder einer Gruppe, die Bakunin April 1849 zur Agitation unter den Deutschen in Böhmen begründete [...]” (Br. v. 13. II. 1930).

“Nikolajewski schreibt mir, er habe Ihnen seinen Separatabdruck gesendet und bittet mich, ihm eine Photokopie des Artikels über [Alexander] Herzen zu besorgen, den wir in Nr. 2 der ‘Freyung’ bringen wollen. Könnte ich diese Kopie oder ein Exemplar der Fahnen für den Mann bekommen? Weiters fragt Nikolajewski ob sich in Kürnbergers Nachlass etwas über Bakunin befindet [...]” (Br. v. 27. II. 1930).

Aufgewachsen in Prag, wurde Brügel nach Studium und Promotion Leiter der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Wiener Arbeiterkammer, engagierte sich in der sozialdemokratischen Bildungsarbeit, war Mitglied der KPÖ und als Publizist und Journalist tätig. 1934 emigrierte er nach der Teilnahme an den Februarkämpfen in die Tschechoslowakei, 1938 nach Frankreich und 1941 über Spanien und Portugal nach Großbritannien. 1945 in den diplomatischen Dienst der Tschechoslowakei eintretend, wurde er 1949 Leiter der Abteilung Deutschland und Österreich des tschechischen Außenministeriums, quittierte aber aus Protest gegen die Willkür der Justiz seinen Dienst und floh über die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz 1950 nach Großbritannien. Von der erwähnten ‘Freyung’ - deren Mitherausgeber Deutsch lt. DBE gewesen sein soll - sind nur zwei Exemplare nachgewiesen (ZDB-ID 275112-4).

O. E. Deutsch (1883-1967), ehedem Kunstkritiker der Wiener Tageszeitung ‘Die Zeit’ und Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Wien, erwarb nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg eine Buchhandlung, gliederte ihr einen Verlag an und war seit Mitte der zwanziger Jahre als Privatgelehrter und als Bibliothekar der Musiksammlung Anthony van Hoboken in Wien tätig. 1938 nach Großbritannien emigriert, gab er den ‘British Union Catalogue of music published before 1800’ heraus, erwarb die britische Staatsbürgerschaft und war als Gelehrter und Dozent in Cambridge sowie am British Council tätig. Nach Österreich zurückgekehrt, wurde er Mitglied des Zentralinstituts für Mozartforschung am Salzburger Mozarteum, dessen Vorsitz er 1962-65 gemeinsam mit Bernhard Paumgartner und Alfred Orel innehatte. Deutschs Bedeutung “liegt vor allem in seinen dokumentarischen Arbeiten zu Franz Schubert” (DBE). 1907 gab Deutsch ‘Ferdinand Kürnbergers Briefe an eine Freundin (1859-1879)’ heraus, 1910-14 die ‘Gesammelten Werke’, 1912 ‘Die Deutsche Schiller-Stiftung. Aufsätze. Literaturberichte und Gutachten von Ferdinand Kürnberger’, 1919 die Briefe an Heinrich Laube und 1926 ‘Drei Erzählungen’. Vgl. auch Czeike II, 20f.

Der erwähnte sozialistische Schriftsteller Boris Nikolajewski (1887-1966) veröffentlichte u. a. eine biographische Darstellung von Jenny Marx (1931; vgl. Emig A1159) sowie gemeinsam mit Otto Maenchen-Helfen eine Biographie über Karl Marx (vgl. ebd. A1276).

Mit einigen eh. Ergänzungen in Bleistift; 2 Br. auf Briefpapier mit gedr. Briefkopf des ”Handbuchs des Sozialismus und der Arbeiterbewegung [...]”.

Art.-Nr.: BN#8204 Schlagwort: