Rilke auf Capri

Rilke, Rainer Maria, Dichter (1875-1926). Eigenh. Eintragung im Gästebuch der Villa Discopoli auf Capri.

Capri, 1894-1908.

66 teils beidseitig beschriebene und 19 w. Bll. Leder der Zeit mit Eckbeschlägen und Schließe (lädiert). 8vo.

 18.000,00

Vorliegendes Gästebuch mit über 230 mehr oder weniger ausführlichen Eintragungen stellt ein schönes Dokument von Rilkes Aufenthalt in der Villa Discopoli auf Capri dar, wohin er als Gast von Frau Alice Faehndrich, geb. Freiin von Nordeck zur Rabenau - der Schwester von Luise Gräfin Schwerin -, eingeladen worden war. Der Dichter lebte 1906/07 "vom 4. Dezember bis zum 15. May [...] das Leben des Rosenhäusl‘s aufmerksam und dankbar", wie er am Tag vor seiner Abreise festhält. Auch seine Gattin Clara war zweimal zu Gast in der mondänen Villa: Am 14. Jänner dankt sie - die sich auf dem Wege nach Ägypten befand - "für zwei schöne Tage in der Discopoli als ein unerwartetes Geschenk auf der Durchreise empfangen - zwischen Berlin und Egypten", und nach ihrer Rückkehr verbringt sie gemeinsam die letzten Wochen mit ihrem Gatten: "am 20. April aus Egypten zurückgekehrt wurde ich aufgenommen und verwöhnt bis zum 15. Mai in der lieben Discopoli". Rilkes knappe, aber dankbare Eintragung verrät nicht, daß hier die "Improvisationen aus dem Capreser Winter" entstanden, die bereits über die "Neuen Gedichte" hinausweisen. Während des Aufenthaltes dürfte Rilke - folgt man den zeitgleichen Eintragungen des Gästebuchs - u. a. mit Wolfgang von Tirpitz, dem Sohn Alfreds von Tirpitz, Ferdinand von Martitz oder Franz von Niebelschütz zusammengetroffen sein. Die folgenreichste Begegnung hingegen war die mit der jungen Gräfin Manon zu Solms-Laubach, eine Nichte des Erbgrafen Friedrich (1833-1900). Nach ihrem Aufenthalt entspann sich ein Briefwechsel, der seitens Rilkes bis 1913 19 Briefe und eine kalligraphisch ausgeführte Abschrift seines "Panther" umfaßte.

Mit der Schwester seiner Gastgeberin Alice - die im Gästebuch als Alla aufscheint -, mit Luise Gfin. von Schwerin, geb. Nordeck zu Rabenau, waren Rilke und seine Gattin bereits seit 1905 bekannt, da sie während eines Kuraufenthalts in Dresden einander im Weißen Hirschen zum ersten Mal begegneten. Zu Beginn seines langen Aufenthaltes war Rilke noch ganz für sich, doch fand die Abgeschiedenheit mit der Ankunft von Alice, Julie von Nordeck - die als Nonna aufscheint - und Manon zu Solms-Laubach ihr Ende. "Das Erkunden Anacapris, der Aufstieg auf den Monte Solaro, oder der Besuch der Grotte von Migliera und der kleinen Kirche Sarita Maria a Cetrella erschlossen eine Landschaft wie die Griechenlands [...] An den Abenden waren die Damen ein aufmerksames Publikum, wenn sie bei ihren Handarbeiten saßen oder für ihn einen Apfel schälten, bereit, seine Tagesarbeit zu hören [...]" (Donald A. Prater, Ein klingendes Glas. Das Leben R. M. Rilkes, Hamburg 1989).

Neben den Eintragungen des Ehepaars Rilke findet sich in dem Gästebuch u. a. eine etwas barbarisch über den Text montierte eigenh. Portraitzeichnung in Bleistift von Pauline von Kalckreuth sowie das doppelseitige Gedicht "Le tombeau du poete" ("d'apres Henry Heine") von Camille du Locle, der wenig später auf Capri versterben sollte. Weitere Eintragungen stammen von Vera Amerongen, Julia und Eugéne Bonnard, Réne und Gilbert Clavel, Emmy und Ernst Gumppenberg, Alice Frfr. und Walther Frh. von Falkenhausen, Hanns und Margarethe Floerke, Leonie und Marie Fontaine, Eberhard Hardeck zur Rabenau (Gf. v. Schwerin), Heinrich und Elise Lützow, Richard Mackensen, Ferdinand von Martitz, Julie Baronin Nordeck zu Rabenau (geb. von Wallenberg), Friedrich Frh. von Oppeln-Bronikowski (schöne, eineinhalbseitige Widmung mit einem 14zeiligen Gedicht), Emmy von Radetzky, Heinrich XXX. Prinz zu Reuss, A. von Röder, Auguste Schepp, Leopold von Schlözer (mit einer halbseitigen, sauber ausgeführten und mit Farbstift kolorierten Bleistiftzeichnung), Luise Schwerin (Gattin von Karl Gf. v. Schwerin), Friedrich Gf. von Schwerin, Manon Gfin. zu Solms-Laubach, Mathilde Baronin und Arthur Baron von Stackelberg, Wolfgang von Tirpitz, Jakob Baron und Gabrielle von Uexküll (zweimal), Hermann Vierordt, Anna von Wallenberg, Wanda von Wallenberg, Elisabeth Wegeli, Adele Baronin Wolff, Gf. und Gfin. von Zieten Schwerin und Ernst Zitelmann (mit einem schönen Zitat aus seinen im selben Jahr erschienenen "Radierungen und Momentaufnahmen").

Rücken fehlt, die Deckel etwas angeplatzt und berieben, Bindung gelockert; innen hingegen von guter Erhaltung; einzelne Eintragungen mit hs. Notizen zum jeweiligen Verfasser in Bleistift.

Art.-Nr.: BN#9837 Schlagwörter: ,