Das Allgäuer Antiquariat Kotte bietet einen Hetz-und-Hass-Brief von Martin Luther an
Martin Luther, dem großen Reformator, wird im Allgemeinen mehr fortschrittliche, sozusagen „aufgeklärte“ Haltung zugeschrieben als den Tatsachen entspricht. Gern und schnell führte er den Satan auf der Zunge spazieren. Er glaubte an Hexen und sah sie im Zweifelsfall dem Teufel ebenso nahestehend wie aufständische Bauern, Anhänger der Wiedertäufer, Türken, Behinderte und – heute am ehesten im Bewusstsein – Juden. 1543 erschien sein Pamphlet „Von den Juden und ihren Lügen“, in dem er die Zerstörung jüdischer Institutionen und Gebäude proklamierte.
Und aus diesem Jahr 1543, als sein gesteigerter antijudäischer Hass offenbar wurde, stammt auch ein antijudäisches Autograph, das von Donnerstag an auf der Antiquariatsmesse Ludwigsburg angeboten wird (Laufzeit bis 27. Januar). Die zweiseitige, außergewöhnlich gut erhaltene Handschrift aus Wittenberg, in der bei der Unterschrift Name und Autorität ineinander verschlungen sind („Martinus LütheR D“), wird zum gehobenen Kaufpreis von 450.000 Euro durch die Autographenhandlung Kotte in Roßhaupten bei Füssen angeboten.
Dieses Antiquariat ist auf den Erwerb rarer Handschriften spezialisiert – und „setzt alle Hebel in Bewegung“, wie Inhaber Thomas Kotte erklärt, wenn etwa Luther- oder Karl-Marx-Autographen auf den Markt gelangen. Denn diese sind gefragt, und zwei Luther-Handschriften konnten durch Kotte und seinen Wiener Geschäftspartner Inlibris in jüngerer Zeit auch schon weiterverkauft werden.
Luthers Brief in brauner Tinte ist an den Berliner Probst Georg Buchholzer gerichtet, der mit dem brandenburgischen Hofprediger Johann Agricola aneinandergeraten war. Agricola war judenfreundlich, Buchholzer nicht. Und Luther fordert diesen nun auf, weiterhin gegen die märkischen Juden das Wort zu erheben: „Wider die Juden habt yhr gepredigt… Und yhr habt recht dran gethan. Haltet feste und faret fort.“ Und im Weiteren führt Luther wieder schnell den Satan im Mund: Agricola könnte ein Teufel sein, vor allem aber gelte: „Denn diese Juden sind nicht Juden sondern leibhafftige teuffel, die Unserm Herrn fluchen…“ Im Katalog zur Antiquariatsmesse Ludwigsburg heißt es: „Mit demselben rhetorischen Geschick, mit dem er zuvor das Papsttum lächerlich gemacht hatte, beschwor er nun eine übersteigerte Abscheu (sic!) vor dem Judentum.“
Der Brief wurde erstmals im 20. Jahrhundert veröffentlicht und in den 80er Jahren dann versteigert – für 172.270 Mark. Thomas Kotte erklärt gegenüber unserer Zeitung, dass sich bei ihm bereits eine öffentliche Institution nach der Handschrift erkundigt habe.
Auch die weiteren Autographenangebote von Kotte/Inlibris können sich in ihrer Bedeutung sehen lassen: ein eigenhändiger Brief Goethes, in dem er den Auftrag zum Erwerb von Kupferstichen bei einer Auktion gibt (12.500 Euro), eine Pinselzeichnung Frédéric Chopins, wohl eine Landschaft auf Mallorca darstellend (180.000 Euro), dazu eine Kollektion vor allem früher, teils unveröffentlichter Thomas-Mann-Handschriften aus den Jahren 1894–1901, gerichtet an seinen Jugendfreund Otto Grautoff. In den mehr als 90 Schreiben sind zwei eigenhändige Gedichte enthalten („Weihnacht!“, „Nur Eins“), Erläuterungen zur Entstehung der „Buddenbrooks“, Einschätzungen von u. a. Goethe, Shakespeare, Nietzsche, Balzac und Fontane, auch Auseinandersetzungen mit Richard Wagner und seiner Musik.
Der Verleger Kurt Leo Maschler erwarb das Konvolut nach dem Tod Grautoffs von dessen Witwe; nach Maschlers Flucht aus Österreich 1938 ließ die Gestapo die Sammlung in die Österreichische Nationalbibliothek eingliedern. Sie wurde bereits 1949 restituiert.