Die lang bekannte "Sensation"

  • Salzburger Nachrichten
  • 13. November 2001

Ein Thomas-Bernhard-Manuskript-Fund ist eigentlich gar nicht so neu

WIEN (SN, APA). Eine "Sensation" ist das im Autographenhandel aufgetauchte Manuskript von Thomas Bernhard aus dem Jahre 1957, in dem Bernhard auf 68 handgeschriebenen Seiten Thomas Wolfes "Herrenhaus" bearbeitet, für Peter Fabjan, Halbbruder des Dichters und Mitverwalter des Nachlasses, nicht: "Das war den unmittelbar Betroffenen, also mir und der Thomas-Bernhard-Privatstiftung, schon seit Jahren bekannt", meinte Fabjan im APA-Gespräch.

Fabjan und die Bernhard-Privatstiftung haben "schon vor Jahren versucht", den rechtlichen Anspruch an dem Manuskript zu klären. Jedoch seien die Bemühungen, den "weiteren Weg in den Handel zu verhindern", vergeblich gewesen. Vor "ein paar Jahren" sei Fabjan und der Bernhard-Stiftung "zu unserer Verblüffung mitgeteilt worden, dass das Manuskript ursprünglich im Archiv des Salzburger Mozarteums verwahrt und von dort entwendet" worden sei.

Mozarteum-Bibliotheksdirektor Werner Rainer meinte dazu, dass das "Manuskript niemals im Mozarteum-Archiv" gewesen sei: "Daran ist kein Wort wahr." Er, Rainer, würde sich freuen, "wenn wir so etwas gehabt hätten". Rainer hielt es jedoch für möglich, dass das Manuskript aus dem Nachlass von Bernhards Mozarteum-Lehrer Rudolf E. Leisner stammt.

Fabjan und die Stiftung hätten versucht, das Manuskript zurückzubekommen, bevor es in den Handel gebracht wurde. Das sei jedoch "abgeblockt oder nicht in unserem Sinne verfolgt" worden, so Fabjan. "Eigentlich wäre es die Aufgabe des Thomas-Bernhard-Archivs, solche Sachen im Original zu erwerben - oder zumindest in Kopie." Die Mittel für das Original (der Wert wird im "Standard" auf 5,8 Mill. S beziffert) "haben wir jedoch nicht, und wenn das Manuskript in privater Hand ist, gibt es auch kaum eine Chance für eine Kopie". Fabjan sieht deshalb beispielsweise die Republik, "insbesondere die Nationalbibliothek", gefordert, dem Archiv entsprechende Mittel zur Komplettierung des Bestandes zu geben.

Einer Aufführung der Bernhard-Version des Stücks könne und werde die Stiftung "nicht zustimmen". Bernhards Testament sagt, dass "alles bisher Unveröffentlichte nicht veröffentlicht werden darf".