Editorial

  • Magazin Opernhaus Zürich
  • 1. Januar 1999

Abenteuerlich nannte Grimmelshausen seinen "Simplicissimus", und abenteuerlich ist auch der Weg, auf dem die nach Motiven dieses Romans komponierte Operette von Johann Strauss nach über hundert Jahren zurück auf die Bühne findet.

Aufmerksam auf das Werk machte uns der Wiener Antiquar Hugo Wetscherek, der den Nachlass Victor Léons - des Librettisten - aufspürte und ankaufte. Er fand darin Stimmenmaterial zu "Simplicius", der in der gängigen Strauss-Literatur als nicht rekonstruierbar gilt. Es war nun die Frage zu klären, ob sich mit dieser neuen Quelle möglicherweise die Lücken im nur fragmentarisch überlieferten Autograph schliessen lassen.

Während der Recherchen, die auch dazu dienten, möglichst alle noch vorhandenen Quellen einzusehen, wurden wir auf den Wiener Sammler Norbert Nischkauer hingewiesen, der seit vielen Jahren Mikrofilme oder Kopien von Aufführungsmaterialien Straussscher Werke aus aller Welt sammelt. Wie sich dann herausstellte, war er tatsächlich im Besitz einer Partiturkopie der Zweitfassung des Werkes, die 1888 für eine Aufführungsserie in Budapest geschrieben worden war und von der Strauss-Forschung bisher nicht berücksichtigt worden ist.

Aufgrund dieser Quelle, die sich in bestem Zustand befindet, war es möglich, ein Aufführungsmaterial zu erstellen, das im wesentlichen die Zweitfassung wiedergibt, in einzelnen Punkten aber auch auf das Autograph zurückgreift.

So haben wir eine wunderschöne Arie der Hildegard wieder eingefügt und der Simplicius ist wie im Original mit einem Tenor besetzt, nicht, wie in späteren Fassungen, mit einem Mezzo. Auch die Texte der Gesangsnummern, die von Fall zu Fall gravierende Eingriffe erfahren haben, folgen dem Autograph. Der Gang der Handlung wurde aus verschiedenen Quellen - dem Zensurlibretto sowie Regie- und Soufflierbüchern späterer Aufführungen - rekonstruiert und für die Zürcher Produktion neu bearbeitet. [...]

Lassen Sie sich diesen Strauss'schen Leckerbissen nicht entgehen.