Erfolgreiches Ende einer langen Odyssee

  • Evangelischer Pressedienst
  • 27. März 2014
  • Thomas Bickelhaupt

Nachlass von August Wilhelm Iffland wieder in Berlin

Berlin (epd). Mehr als sechs Jahrzehnte galt der Nachlass des bedeutenden Berliner Theatermannes August Wilhelm Iffland (1759-1814) als verschollen. Seitdem das Konvolut unvermittelt im Angebotskatalog der diesjährigen Antiquariatsmesse in Ludwigsburg aufgetaucht war, bemühte sich das Land Berlin um eine Rückführung der 34 Bände mit 6.000 Schriftstücken. Mit Erfolg, wie der in Rückführungsfragen versierte Rechtsanwalt Peter Raue am Mittwoch in der Bundeshauptstadt verkünden konnte.

Die Dokumente aus Ifflands Zeit als Direktor des Königlichen Nationaltheaters zu Berlin kehrten nunmehr als Schenkung zurück. Die Briefe, Bühnenbildentwürfe, Regiepläne sowie Kostüm- und Besetzungsverzeichnisse repräsentieren deutsche Theatergeschichte zwischen 1796 bis 1814 auf eine Weise, die es nach Ansicht von Fachleuten neu zu entdecken gilt. Denn die Dokumente zeigen Iffland nicht nur als künstlerischen Leiter eines der damals bedeutendsten deutschen Theater. Sie geben auch Einblicke in sein Wirken als Verwaltungsdirektor, technischer Leiter und Finanzdirektor, sagte Direktor Uwe Schaper vom Berliner Landesarchiv.

Dokumentiert ist beispielsweise Ifflands schlichtendes Eingreifen in einen handfesten Streit zweier Musiker, die ihre Unstimmigkeiten lautstark vor Publikum austrugen. In einem anderen Fall habe er das Schuldenproblem eines Schauspielers geregelt, der sich mit seinem Hausbau offenbar übernommen hatte. Schließlich geht es in den Dokumenten auch um Umbesetzungen bei Krankheit oder plötzlichen Todesfällen sowie um ein offenes Ohr für enttäuschte Hoffnungen, wenn sich die Erwartungen einzelner Schauspieler an die Vergabe bestimmter Rollen nicht erfüllten.

Der Iffland-Forscher Klaus Gerlach von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften nannte den zurückgekehrten Nachlass "das handschriftliche Monument des Berliner Nationaltheaters". Anders als in Weimar, wo der Theaterleiter Johann Wolfgang Goethe ausschließlich für künstlerische Fragen zuständig war, offenbare Ifflands Nachlass neben einem ästhetischen Programm auch die damit verbundenen ökonomischen Abläufe. "Das Berliner Theater unter seiner Leitung war für die Herausbildung einer bürgerlichen Theaterkultur mindestens ebenso wichtig wie das Weimarer Theater", sagte Gerlach.

Der Bestand soll nunmehr mit einem digitalen Forschungsprojekt wissenschaftlich ausgewertet und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mindestens ebenso interessant indes ist die geradezu groteske Geschichte des Konvoluts in den vergangenen 60 Jahren. Den Nachlass des Schauspielers, Intendanten und Dramatikers habe er 1949 in einem Ost-Berliner Abrisshaus gefunden, behauptet der heute 90-jährige Berliner Theaterwissenschaftler Hugo Fetting. Das renommierte Wiener Antiquariat Inlibris zahlte ihm dafür 50.000 Euro. Als der Bestand der Akademie der Künste angeboten wurde, lehnte sie ab. Rechtsanwalt Raue sprach von einem "Kurzschluss" der Akademie, die mittlerweile bedaure, "damals kein Interesse gezeigt zu haben".

Neues Interesse regte sich spätestens im Zusammenhang mit der diesjährigen Antiquariatsmesse, nachdem bekannt geworden war, dass dort das Iffland-Konvolut für 450.000 Euro angeboten werden sollte. Mit Rechtsgutachten und in längeren Verhandlungen wurde schließlich zur Rückgabe nach Berlin eine gütliche Einigung erzielt. Dabei lege das Wiener Antiquariat Wert auf die Feststellung, dass es die Bestände "dem Land Berlin geschenkt habe", betonte Raue. Inlibris erhielt lediglich 15.000 Euro als Aufwandsentschädigung für entstandene Kosten im Zusammenhang mit den Rückführungsverhandlungen.

Gegen Fetting läuft weiterhin ein Verfahren bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Seine Version vom Fund der historischen Dokumente hält Rechtsanwalt Raue für unglaubwürdig, zumal wissenschaftliche Arbeiten als Quelle für den Iffland-Nachlass Archivstandorte in Ost-Berlin nennen. Fetting seinerseits habe auf konkrete Nachfrage erklärt, er wisse nicht, wohin die Bestände gelangt seien, sagte Klaus Gerlach, der 2004 vergleichende Forschungen zur Berliner und zur Weimarer Klassik begann.