Lesen und lesen lassen

  • Der Tagesspiegel
  • 1. Januar 2002
  • Steffen Richter

Heute abend beginnt im Ludwig Erhard Haus die Antiquariatsmesse Liber Berlin - nicht nur für Büchernarren

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Für die Liber Berlin, die vom 1. bis 3. November bereits zum dritten Mal im Ludwig Erhard Haus in der Fasanenstraße stattfindet, ist die Bezeichnung "Antiquariatsmesse" schon fast despektierlich. Aus neun Ländern reisen 116 Antiquare an, um auf 3000 Quadratmetern ihre Kostbarkeiten zur Schau zu stellen und natürlich feilzubieten. Mit dieser "Internationalen Verkaufsausstellung" hat sich Berlin auf dem europäischen Kunstbuchmarkt vor allem neben London und Paris sowie neben der Verbandsmesse in Stuttgart nachhaltig etabliert. Mehr als 7000 Besucher zählte die Messe im letzten Jahr. In diesen Tagen dürften es noch etwas mehr werden. Denn auch wenn die Lesekultur, wie Apokalyptiker regelmäßig verkünden, den Bach hinunter geht - es bleibt der Trost, dass ihre materiellen Sedimente umso eifriger gesammelt werden.

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Der ideale Besucher also wäre einer, der sich gleich einem Flaneur mit zerstreuter Aufmerksamkeit treiben und ablenken lässt. Er könnte nicht nur die Filetstücke goutieren, die wie erratische Blöcke in der Messelandschaft liegen, sondern auch die Kuriositäten am Rande. Denn natürlich wird das Konvolut der 104 Briefe ein Renner sein, das die Geschichte der Ausgrabungen von Pergamon und die Wiedererrichtung der Bauten in Berlin zwischen 1880 und 1912 spiegelt (Eberhard Köstler, Tutzing). Auch von der Plakatsammlung zur Pariser Commune (Bernhard Blanke, Berlin) oder den Briefen des Schriftstellers Frank Thiess über die NS- und Nachkriegszeit (Hugo Wetscherek, Wien) wird ausführlich gesprochen werden. Doch jenseits der historischen Haupt- und Staatsaktionen lauern Raritäten wie die erste Ausgabe des Rübezahlbuches von Johannes Praetorius aus dem Jahr 1662 (Winfried Geisenheyner, Münster). Darin wird ein "ausführlicher Bericht" gegeben von dem "wunderbarlichen sehr Alten, und weit beschrienen Gespenste Dem Rübezahl".

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