Ohne Narretei geht es nicht

  • Buchreport-Magazin
  • 1. August 2007

Hugo Wetscherek ist Inhaber des Antiquariats Inlibris. Im Schlagwortinterview erklärt er, was den Reiz seines Berufes ausmacht.

buchreport.steckbrief
Hugo Wetscherek ist Eigentümer des Antiquariats Inlibris und mit dem 1993 gegründeten Unternehmen Marktführer in Österreich. In der TV-Sendung 'Willkommen Österreich' im ORF2 hat er Bücher und Autografen auf ihren Marktwert geprüft. Ausschnitte der Sendung sind bei youtube zu sehen.
Geboren: 17. Oktober 1972 in Wien
Lebt in: Wien
Ausbildung: Studium der Germanistik und Kunstgeschichte; parallel Ausbildung zum Antiquar bei Ch. M. Nebehay
Stationen: 1993 Mitbegründer und Geschäftsführer von Inlibris, 2002 Übernahme der Gilhofer Buch und Kunstantiquariat KG. Seit 2006 Alleineigentümer von Inlibris, Gilhofer Nfg. GmbH

Jäger und Sammler. Antiquare sollten eher Jäger als Sammler sein. Für mich ist es in erster Linie der Umgang mit den Büchern, der den Reiz des Berufes ausmacht; am dauernden Besitz auch der begehrenswertesten und seltensten Dinge war ich eigentlich nie interessiert. Sobald ein Buch erschöpfend beschrieben und durch die Publikation in einem unserer Kataloge hinlänglich dokumentiert ist, lasse ich es gerne ziehen. Ich denke, dass auch viele Sammler das größte Vergnügen aus der Auffindung und dem Erwerb des Gesuchten ziehen; der seine gefüllten Regale stolz und zufrieden abschreitende Bibliotheksbesitzer ist ein seltener Typus.

Finderglück. Bei den so beliebten Geschichten vom Finderglück muss man sich von den Mustern des klassischen Flohmarkt- oder Dachbodenfunds und den damit verbundenen Schnäppchenpreisen lösen. Die ganz besonders herausragenden oder wertvollen Stücke wird man - von wenigen Ausnahmen abgesehen - immer nur im Wettstreit mit anderen Interessenten und durch substantielles finanzielles Engagement an sich bringen. Auf Zufallsfunde und Glückstreffer darf man zwar hoffen, aber man kann auf solchen mit Sicherheit kein laufendes Geschäft aufbauen.

Buch als Ware. Alle Bücher und Autografen, die über unsere Tische gehen, sind natürlich zunächst einmal Handelsware. Und was sonst sollte selbst den interessiertesten und lernwilligsten Geist dazu bringen, sich innerhalb von ein paar Jahren in so unterschiedliche Themen wie ukrainischen Frühdruck, armenische Kulturgeschichte, die letzten Jahre Franz Kafkas, das Tridentinische Konzil und die Geschichte der Wiener Operette einzuarbeiten? Kaufmännischer Zwang und die Notwendigkeit des Wiederverkaufs zum höchstmöglichen Preis sind nicht die schlechteste Motivation. Die freiwillige Selbstbeschränkung, das Es-Sich-Gemütlich-Machen in einem Sachgebiet, über das man sich vermeintlich ausreichendes Wissen erworben hat, nennt man unter Antiquaren Spezialisierung. Ich persönlich habe es immer als schade empfunden, sich dadurch schon von vornherein Chancen zu nehmen, und fand es fast immer spannend, durch einen unerwarteten Ankauf auf neue Themen gestoßen zu werden.

Büchernarren. Büchernarren gibt es natürlich - in der Regel sind sie als solche auch gleich zu erkennen. Als Antiquar muss man aber vielleicht manchmal auch gegen jede kaufmännische Vernunft selbst zum Büchernarren werden oder zumindest die Begeisterung eines solchen zu teilen bereit sein - sonst entgehen einem herrliche Sammlungen, die ohne Narretei gar nicht zustandezubringen und schon gar nicht zu verkaufen wären.