Rezension: Bibliothek der Deutschen Sozialisten (Bücherschau)

  • Bücherschau
  • 31. März 2002

Rezension in: Bücherschau 154 - 1/02 - Jänner bis März 2002
Rezensent: Hugo Pepper

Eine wiederentdeckte Arbeiterbibliothek in ihrem zeitgenössischen Kontext.

Sensationen im allgemein eher stillen Arbeiterbildungsbereich sind selten. Die Entdeckung einer politischen Bibliothek in einem abgemauerten Versteck in einem 1860 in Cleveland errichteten Gebäude darf wohl als sensationell gewertet werden. Der mittlerweile emeritierte bundesdeutsche Diplomat Peter Schoenwaldt, der den bemerkenswerten Buchbestand aufgestöbert hat, sorgte für dessen Katalogisierung und Kommentierung und damit für die Dokumentation eines Buchbestands der in den Jahrzehnten zwischen 1845 und 1925 auf mehr als 600 Exemplare gewachsen war. Aber darüber hinaus sieht sich der Leser mit einem bedeutenden Ausschnitt aus der Geschichte der von deutschen Einwanderern (deutschen und österreichischen Emigranten seit 1848) bestimmten Arbeiterbildung konfrontiert.

Sie setzt mit der Zeit der 48er Revolution ein und endet in der "antibolschewistischen" Hysterie, welche die USA nach dem Sieg der Russischen Revolution erfasst hat. Unter äußeren Umständen, die Upton Sinclair im Roman "100 Prozent" dargestellt hat, ist die Bücherei wohl eingemauert worden.

Im Bestand finden sich nicht nur marxistische Klassiker und zeitgenössische politische Literatur, die Band für Band bibliographisch und meist auch inhaltlich glossiert werden. An österreichischen Autoren finden sich neben Hilferding und Max Adler die Brüder Scheu, der Linksradikale Johann Most sowie der österreichische Bundespräsident Michael Hainisch (mit einem sozialpolitischen Werk, 1899).

Der Text eines Interviews mit dem Entdecker, Peter Schoenwaldt, "Ein Rückblick aus dem Jahr 2001" auf eine dramatische Phase der (deutsch-)amerikanischen Arbeiterbewegung, sowie eine Auswahl aus deren zeitgenössischen Organ "Echo" runden den Band ab, der zeitgeschichtlich und literarisch interessierte Leser ansprechen, aber auch die Aufmerksamkeit von Bibliothekaren finden sollte (Inlibris Verlag, Hugo Wetscherek, 1010 Wien, Rathausstraße 19, Tel. 01/409 61 90).

www.buecherei.at