Streit um Besitz und Eigentum

  • Mannheimer Morgen
  • 9. Januar 2014
  • Ralf-Carl Langhals

Hintergrund: Zum "überraschenden" Archiv-Fund des Mannheimer Schauspielers und Berliner Theaterdirektors August Wilhelm Iffland

Mit Sensationsfunden ist das derzeit ja so eine Sache. Kaum taucht etwas Spektakuläres auf, schon muss - ob verkrampft oder gierig, zumindest aber sehr kritisch - auf die Eigentumsverhältnisse geschielt werden. Der Fall Gurlitt hat es gelehrt, der Fall Iffland marschiert in eine ähnliche Richtung. Was ist passiert?

Auf der Ludwigsburger Fachmesse "Antiquaria" (23. bis 25. Januar) sollte ein Schatz des Wiener Antiquariats Inlibris zum stolzen Preis von 450 000 Euro angeboten werden, der auch für Mannheim relevant ist: "Korrespondenzarchiv Ifflands" heißt die Position aus 6000 handschriftlichen Stücken in 34 Bänden des einstigen Direktors des Königlichen Nationaltheaters in Berlin (1796 bis 1814), auf der jetzt - nachdem das Land Berlin eine Anzeige einreichte - der Stempel "zensiert" prangt.

Vom Nationaltheater nach Berlin

Bevor August Wilhelm Iffland Herr des von Carl Gotthard Langhans neu errichteten Schauspielhauses am Gendarmenmarkt wurde, war er nahezu ebenso lang Schauspieler und Dramatiker am Mannheimer Nationaltheater. In den zahlreichen Publikationen zum Fund findet sich allenfalls eine Bemerkung, dass Iffland den Franz Moor in Schillers "Räuber"-Uraufführung spielte. Der Uraufführungsort und das Wort Mannheim fallen nirgends, obwohl sich unter den theaterwissenschaftlich wie kulturhistorisch höchst bedeutenden Schriften, neben Briefen von August Wilhelm Schlegel, Ludwig Tieck (und einem Goethe-Brief), auch Schriftwechsel mit den zeitgleich mit ihm in Mannheim tätigen Größen Wolfgang Heribert von Dalberg und August von Kotzebue befinden.

Der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz will "das Kulturgut von nationalem Rang" nun wieder in Berlin sehen. Obwohl Iffland an der Spree stets höchst unzufrieden war, ist Berlin jetzt in heller Aufregung und reklamiert die Schriften des wichtigsten Theatermannes der Goethe-Zeit für sich. Dort waren sie auch beheimatet.

Von 1929 bis 1945 war der Iffland-Nachlass im Berliner Stadtschloss öffentlich ausgestellt und von dort - Protokolle der Auslagerung sind nicht vorhanden - vor den Bomben in Sicherheit gebracht worden. Gefunden hat ihn - und da wird es spannend - ein heute 90-jähriger Herr namens Hugo Fetting, der ihn (laut "Tagespiegel") 1953 in den Trümmern der ehemaligen Generalintendanz der Preußischen Staatstheater gefunden haben will. Im Gegensatz zu Cornelius Gurlitt hortete der Finder/In-Verwahrung-Nehmer/Retter/Aneigner seine Hebung nicht im Verborgenen, sondern publizierte als Theaterwissenschaftler munter zu seinen Schätzen. Auf Existenz und Verbleib des Archivs hätte man also in der Germanistik, in Berlin, am Iffland-Geburtsort Hannover oder auch in Mannheim früher kommen können. Das Spiel beginnt aber erst, als sich Fetting sechs Jahrzehnte später gegen Bares vom Fund trennen will. Die Berliner Akademie der Künste bietet ihm auf dessen Angebot und Nachfrage allenfalls Finderlohn. Und Finder Fetting wendet sich an das Wiener Antiquariat, das ihn von 70 000 auf 50 000 Euro herunterhandelt und die Ware für besagte 450 000 Euro in Ludwigsburg zu veräußern gedachte.

Nun ist es ein Fall für die Gerichte geworden. Das Antiquariat, das sich nach seinem Empfinden im Vorfeld in Sachen Eigentumsklärung mit der Akademie einig war, und zahlreiche Berliner Kulturinstitutionen werden nun die komplexe Rechtsnachfolge der einstigen Staatstheater, Museen und Generalintendanzen klären müssen. Und Hugo Fetting wird sich gefallen lassen müssen, dass der angebliche Trümmerfund nochmals unter die Lupe genommen wird.

Komplexe Ansprüche

Für Mannheim besteht keine Hoffnung auf Ansprüche, war der Nachlass doch eindeutig schon 1814 in Berliner Hand. Vielleicht sollte man auf den Rat eines Kollegen der Ururenkelgeneration hören: Bruno Ganz, prominenter aktueller Preisträger des nach dem Theaterfürsten benannten Iffland-Ringes, fordert ohne lokalpatriotischen Anstrich die Veröffentlichung der Dokumente, weil sie für das Theater wichtig sind.

In diesem Jahr jährt sich der Todestag des großen Schauspielers und Schiller-Zeitgenossen Iffland also zum 200. Mal. Da könnten dann Forscher und Theaterinteressierte in Berlin, Mannheim, Gotha und Hannoveraner ihrem Iffland noch ein Stück näher kommen und die Bezüge zu seinem Wirken jeweils vor Ort verdichten...