Anleitung zur Büchernarrheit

  • Falter
  • 21 September 2011
  • Armin Thurnher

Enthusiasmuskolumne Diesmal: Der beste Antiquariatskatalog der Welt der Woche

Der erste Eintrag ist ebenso passend wie programmatisch: Abraham a Sancta Claras "Narrenspiegel". Der Prediger folgt dem berühmten "Narrenschiff" von Sebastian Brant und geißelt im Stil der Zeit katalogisierte menschliche Schwächen. Der Katalog 173 des Antiquariats Inlibris (früher Gilhofer) zeigt als Illustration zu diesem "Narrenspiegel" von 1709 den Kupferstich eines Büchernarren. "Weil ich die Bücher so vermehre / dass ich nichts als den Staub abkehre / Bin ich aus dem gelehrten Orden / Ich gar zu einem Narren worden / Will niemand mich dafür erkennen / Thut mich doch meine Frau so nennen." Der Folioband ist schlichte 4000 Euro zu haben.

Man muss die guten Stücke ja nicht kaufen, es genügt, sie zu begehren. Der Inlibris-Katalog ist der schönste und bestgemachte Antiquariatskatalog im ganzen Land, unruhig erwartet der Buchfreund dessen Zusendung, glänzenden Auges blättert er ihn durch, und selbst wenn die schönsten Stücke unerschwinglich scheinen, ist es doch schön zu wissen, dass er sie kaufen könnte.
Eines der Prunkstücke des Katalogs "Bücher und Handschriften" ist eine Sammlung Lutherischer Flugschriften. In der Mediengeschichte haben diese mit Holzschnitten aus der Cranach-Werkstatt versehenen Pamphlete als Beispiel einer frühen und erfolgreichen Propagandakampagne ihren Platz. Der Papst wird hier in Wort und Bild im wahrsten Sinn als Ausgeburt des Teufels gezeigt: "Das abscheulichste unter den Bildern (...) Links ist ein erschreckend hässliches Teufelsweib daran, den Papst und fünf Kardinäle aus dem Hintern zu gebären." Für 35.000 Euro ist man dabei.

Sollte Kardinal Schönborn ob so viel Verunglimpfung unruhig werden, braucht er nur 32 Seiten weiterzublättern. Dort findet er seinen Lieblingsautor, Thomas von Aquin, mit der "Summa contra Gentiles" ("Gegen die Heiden") nebst dem arabischen Philosophen Al-Kindi in einer Handschrift aus 1464 um karge 95.000 Euro. So sieht bibliophile Ökumene aus!