Autografenhändler: "Ein Briefchen von Strauss kriegen Sie um 500 Euro"

  • Die Presse
  • 29 June 2014
  • Anne-Catherine Simon

Warum ist Goethe oft billiger als Schiller, Trakl oder Schubert? Autografenhändler erzählen der "Presse" von verschwindenden Bildungsbürgern und Manuskripten.

125.000 Euro für einen Marx-Brief? Das ist doch nichts – jedenfalls nichts gegen eine Sammlung lang verschollener Londoner Notizen desselben Autors: Die kosten zweieinhalb Millionen Euro. Zumindest taten sie das im Mai auf der Londoner Buchmesse. Dort hat der österreichische Autografenhändler Inlibris unter anderem diese zwei Manuskripte angeboten – und noch weitere sehr wertvolle: etwa eine Erstausgabe von Baudelaires "Die Blumen des Bösen", versehen mit handschriftlichen Korrekturen des Autors höchstpersönlich.

Und, hat sich das alles verkauft? Nein. Marx und Baudelaire befinden sich wieder in Österreich und warten weiter auf Käufer. Martin Peche, Handschriftenexperte für Inlibris, findet das nicht enttäuschend. Bei solchen Messen gehe es vor allem darum, sich mit Glanzstücken zu präsentieren, zu zeigen, was man besonders Wertvolles habe, sagt er.

Leichter geworden ist das Geschäft aber nicht, das gibt Peche zu. Dass private Autografensammlungen auf den Markt kommen, geschieht immer seltener. Immer mehr wertvolle Stücke landen dauerhaft in öffentlicher Hand, in Archiven, Bibliotheken und Museen. Und die Autografen werden immer teurer. "Den kleinen Sammler, der sich um ein paar hundert Euro etwas kauft, muss man heute mit der Lupe suchen", sagt Peche. "Andererseits werden die Käufer mehr, die 60.00, 70.000 oder 80.000 zu zahlen bereit sind."

"Ästhetisches Erlebnis" fehlt. Aber insgesamt gehe das Interesse am handgeschriebenen Wort zurück, beobachtet er. "Das kommt daher, dass die Preise immer stärker steigen, aber auch daher, dass einfach das Interesse am Objekt schwindet", meint Peche. "Wenn Sie sich ein Bild kaufen, können Sie das an die Wand hängen, das hat einen optischen Reiz. Beim Sammeln von Autografen ist es viel schwieriger, einen Zugang zu finden. Das ästhetische Erlebnis fehlt dabei, und es bringt heute nicht mehr viel Prestige."

Die breite Basis der Autografensammler, die der kunstinteressierten Bildungsbürger, verschwindet, sagt auch Wolfgang Mecklenburg, der Geschäftsführer des Berliner Traditionshauses J.A. Stargardt, das der größte deutsche Autografenhändler ist. "Die Preisentwicklung in den vergangenen Jahren war enorm." In der Musik gebe es noch ein paar Autografen, die man sich irgendwie leisten könne – "ein Briefchen von Richard Strauss kriegen Sie um 500, 600 Euro. Aber bei älteren Komponisten wird's schon viel zu teuer."

Freilich, wenn man gute Sachen anbiete, sei die Aufmerksamkeit größer geworden als früher, betont er. "Aber die Schwierigkeit liegt heute darin, überhaupt an die großen Sachen ranzukommen." Vieles sei schon dauerhaft in öffentlicher Hand, ein anderer Grund sei der Finanzmarkt: "Wenn Sie derzeit eine Sammlung erben, werden Sie sich gut überlegen, ob Sie sie verkaufen. Die Erben geben Dinge nur her, wenn ein konkreter Anlass dafür besteht." Auch der Anteil öffentlicher Käufer sei schon größer gewesen – "früher waren die Bibliotheken finanziell noch besser ausgestattet".

Was sammeln die Leute gern? "Wenn Sie zehn Sammler fragen, kriegen Sie darauf elf Antworten", lacht Mecklenburg. "Die einen sammeln eine bestimmte Person, die anderen alles zum Dreißigjährigen Krieg oder über die biologischen Entdeckungen des 19. Jahrhunderts. Das Interesse an Geschichte ist in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen, dafür ist die Nachfrage nach Autografen von bildenden Künstlern stark gestiegen."

Günstiger Goethe? Wie teuer ist Goethe? Teilweise billiger als Schiller oder Frühverstorbene wie Trakl und Schubert, verrät Mecklenburg. "Erstens ist er sehr alt geworden, zweitens hat er wahnsinnig viel Briefe geschrieben." Und immer noch sei von ihm vieles in Umlauf. Schubert dagegen! "Seine Lieder waren immer verhältnismäßig teuer, aber vor 20 Jahren konnte man schon noch eins kaufen, alle ein, zwei Jahre. Die Österreichische Nationalbibliothek hat aber so konsequent Schubert gekauft, dass es jetzt gar nichts mehr von ihm gibt."