Bernhard und Thomas Wolfe

  • Die Presse
  • 13 November 2001

Ein Manuskript von Thomas Bernhard sorgt für Streit.

68 handgeschriebene Seiten mit Vorwort, Anmerkungen, Skizzen von Thomas Bernhard, eingebunden in eine Ausgabe von Thomas Wolfes "Herrenhaus", sorgen seit Montag für Diskussionen. Denn die 1957 verfaßte Bearbeitung des Romans wird jetzt um 5,8 Millionen Schilling (421.502 Euro) im Handel angeboten. Der "Standard" ortete gleich eine Sensation: Es handle sich um ein "bisher unbekanntes großes Stück von Bernhard".

In Fachkreisen ist die Existenz des Manuskripts schon jahrelang bekannt. Peter Fabjan, Halbbruder des Dichters, Nachlaß-Mitverwalter, und die Bernhard-Stiftung haben auch schon vergeblich versucht, die Ansprüche auf das Manuskript zu klären und "den Weg in den Handel zu verhindern". Die zwei Antiquariate Inlibris (Wien) und Friebes (Graz) kauften das "Regiebuch" vom Salzburger Antiquar Weinek und bieten es jetzt an. Unklar ist der Vorbesitz: "Es gab in der Literatur bis jetzt divergierende Meinungen über die Existenz des Manuskripts: Entweder gilt es als verschollen oder als Bernhardsche Erfindung", so Hugo Wetscherek ("Inlibris").

Der geforderte Preis, 5,8 Mio. Schilling, verwundert. "Es ist doch die Bearbeitung eines fremden Stücks. Aber bei Autographen gibt es bezüglich des Preises ja kein Vergleichsstück", so der Wiener Autographen-Spezialist Hassfurther. Dazu Wetscherek: "Verglichen mit internationalen Ergebnissen für Literatur liegen die 5,8 Mio noch im unteren Bereich." Einer Aufführung des Stücks wird die Bernhard-Stiftung jedenfalls "nicht zustimmen", so Fabjan.