Das Herrenhaus-Drama

  • Format
  • 7 June 2002
  • S[usanne] R[össler]

Darling des Theaters

Thomas Bernhard. Der Übertreibungskünstler feiert ein Comeback als Unterhaltungskünstler: Jubel über "Elisabeth II." an der Burg. Es folgen Bernhard-Premieren im Volkstheater und in der Josefstadt.

[...] Derweil herrscht vehementes G'riß um Thomas Bernhards spät entdecktes Manuskript "Herrenhaus", das gegenwärtig zum Kräftemessen zwischen Denkmalamt und einem Wiener Antiquar gerät. [...]

Hintergrund
Das Herrenhaus-Drama

Ein spät entdecktes Bernhard-Manuskript ligt im Safe eines Antiquars. Das Denkmalamt blockiert den Verkauf.

Auf den heimischen Bühnen feiert Thomas Bernhard ein glorioses Comeback. Doch abseits des Rampenlichts spielt sich seit Monaten rund um ein Werk aus dem Nachlaß des Schriftstellers ein bürokratisches Drama ab. Es geht dabei um das Stück "Herrenhaus" des US-Autors Thomas Wolfe, das der damalige Mozarteumsstudent Bernhard 1957 bearbeitet hat.
Die 68seitige handschriftliche Bearbeitung des Stücks galt lange als verschollen, bis sie im November 2001 Schlagzeilen machte (FORMAT 47/01). Damals wurde bekannt, daß der Wiener Antiquar Hugo Wetscherek das Buch von einem Händler gekauft hatte und für 420.000 Euro auf Auktionen anbieten wollte. Seither liegt das wertvolle Stück in Wetschereks Safe, und sein Besitzer liefert sich mit dem Bundesdenkmalamt eine langwierige Auseinandersetzung. Vorsorglich wurde das Buch, in das Bernhard Regieanweisungen und Bühnenbildskizzen einbinden ließ, mit einem Ausfuhrverbot belegt. Wetscherek erhob Einspruch, doch das Verfahren zieht sich so hin, daß Wetscherek bereits von Verschleppung spricht. Am meisten wundert ihn jedoch die Ignoranz der Experten (Bernhard-Stiftung, Literaturarchiv): "Sie haben sich das Manuskript bisher nicht einmal angeschaut."