Mit Losglück zum Sammlerstück

  • Ludwigsburger Kreiszeitung
  • 23 January 2015
  • Johannes Koch

53 Aussteller präsentieren antiquarische Raritäten in der Musikhalle – Historischer Reisebericht für eine halbe Million Euro

Von Chaos keine Spur: Vor den Türen der Musikhalle, wo es vor wenigen Jahren, bevor das Losverfahren für begehrte Katalogstücke eingeführt wurde, bisweilen zu tumultartigen Szenen kam, steht das Publikum am Donnerstag kurz vor 15 Uhr gedrängt, aber entspannt. Hier und da qualmt ein Pfeifchen. Die 29. Antiquaria Ludwigsburg lockt die Freunde historischer Raritäten mit einer breiten Palette an Manuskripten, Grafiken und Büchern. 53 Aussteller aus dem In- und Ausland präsentieren an drei Messetagen ihre Highlights – die natürlich auch käuflich zu erwerben sind. Es wird geblättert, geschmökert, vielsprachig gefachsimpelt.

In diesem Meer aus Sachbüchern, Plakaten und losen Seiten versteckt sich auch manch ein geschichtlich bedeutendes Dokument. So etwa im Foyer: Eigentlich prominent platziert und dennoch kaum beachtet, harren handschriftliche Briefe von Darwin, Tschaikowsky und Schiller in unauffälligen Glasvitrinen ihres Verkaufs. Die Preise gehen in den sechsstelligen Bereich. Kaum größer als ein Handteller ist das wohl teuerste Exponat der diesjährigen Antiquaria in einer benachbarten Vitrine: ein hübsch anzuschauender handschriftlicher Bericht über eine Pilgerreise aus dem 15. Jahrhundert. 450 000 Euro beträgt der Festpreis des Wiener Antiquariats Inlibris. „Das Stück ist spannend und authentisch“, erklärt Hugo Wetscherek, ein Herr mit Nickelbrille und perfekt sitzender lilafarbener Krawatte, in elegantem Wienerisch. „Das macht es so wertvoll.“ Der Antiquar versichert, dass Stücke dieser Preiskategorie durchaus regelmäßig verkauft würden – wenn auch vielleicht nicht im Rahmen dieser Messe. Ob ein solches Dokument nicht in ein Museum gehöre? Tatsächlich bemühe sich eine „prominente deutsche Institution“ um den Erwerb. „Es gibt Gespräche, die Finanzierung ist aber noch offen.“ Um die Sicherheit macht sich Wetscherek indes keine Sorgen. Alle Stücke sind gut versichert, die Vitrinen zwar nicht aus Panzerglas, aber zumindest fest verschlossen.

Die Messe sei wie immer ausgebucht, erklärt Organisatorin Petra Bewer zufrieden. Um die 2000 Besucher erwartet sie bis Samstag, wie jedes Jahr. Die Inhaberin eines Stuttgarter Architektur-Antiquariats erlebt ihr persönliches Highlight stets kurz nach der Eröffnung. Bis genau 15.45 Uhr dürfen Interessenten der im Katalog aufgeführten Stücke sich am jeweiligen Stand auf einer Liste vermerken lassen – anschließend entscheidet das Los, wer den Zuschlag zum Festpreis erhält. Wer nicht zum Zuge kommt, erhält als Trost eine Schokolade. Seit sechs Jahren wandert sie auf diese Weise am Eröffnungstag eine knappe Stunde lang durch die Hallen und bringt die Stücke an den Mann oder die Frau.

Unter den Besuchern, die sich zwischen den engen Ständen entlangschlängeln, ist auch Volkmar Wirth. Er komme jedes Jahr zur Antiquaria, sagt der Botanik-Professor. „Oft lasse ich hier eine Menge Geld.“ Zusammen mit seiner Frau ist er auf der Suche nach alten botanischen Werken und Kinderbüchern. Eine klare preisliche Schmerzgrenze gebe es nicht, sagt er und lächelt. „Manchmal weiß man einfach: Dieses Buch bekommt man nie wieder.“