Regiebuch von Th. Bernhard entdeckt

  • Neues Volksblatt
  • 12 November 2001

Ein unbekanntes Manuskript von Thomas Bernhard soll laut "Standard" ein Salzburger Buchhändler entdeckt haben: 68 Blätter, die sich der in Ohlsdorf lebende und verstorbene Dichter zwischen die Seiten der Rowohlt-Ausgabe von Thomas Wolfes Drama "Herrenhaus" binden ließ: Diese beschrieb er mit einem Vorwort, unzähligen Anweisungen, Korrekturen, Anmerkungen und 25 Skizzen: "Es gibt bessere Stücke, aber wenige, die ich leidenschaftlicher gelesen und gewürdigt hätte", schreibt er dazu. Die Arbeit ist für den "Standard" aber kein bloßes Regiebuch, sondern eine eigenständige Bearbeitung: Bernhard verlegte die Handlung des 1922 entstandenen Südstaatendramas in die Zeit des Koreakriegs 1952/1953, das Vorspiel aus der Kolonialepoche ins Jahr 1920, den Schluss in die Gegenwart. Er sei zwar "gegen die Verlegung jedweden Stückes", notierte er, "jedoch schien es mir interessant, zu beweisen, daß man ,wirkliche Dichtung' ohne weiteres um 200 Jahre verschieben kann. Das Negerproblem ist heute wiederum zu modern, als daß ich es in den Vordergrund setzen möchte." Die Antiquariate Wolfgang Friebes (Graz) und Inlibris (Wien), die das Buch erwarben, bieten es nun zum Verkauf an (Wert rund 5,8 Millionen S oder 421.502 €). In der Villa Stonborough-Wittgenstein in Gmunden wird diesen Freitag ein großes Thomas-Bernhard-Archiv eröffnet.