Boisserée, Melchior, Kunstgelehrter und Sammler (1786-1851). Eigenh. Brief mit U.

München, 1. XI. 1839.

6 SS. auf 2 gefalt. und geheft. Doppelblättern. Gr.-4to. Mit eh. Adresse verso (Faltbrief).

 4,500.00

Schönes, langes Schreiben an seinen Schwager, den Kgl. Württembergischen Oberfinanzrat Gottlob von Rapp (1793-1869) hinsichtlich einer möglichen Rückkehr Melchiors und seines Bruders Sulpiz nach Stuttgart: "Verehrtester Freund! Ich beantworte erst heute Ihren lieben Brief, weil die Beantwortung desselben mir etwas schwer geworden, da gar manches zu bedenken und vieles zu berücksichtigen war, so daß ich kaum zu einem Entschluß kommen konnte.

Ehe ich Ihnen jedoch denselben mittheile muß ich Ihnen meinen innigsten Dank ausdrücken, für Ihre so freundschaftliche Theilnahme, die ich schon so oft erfahren habe. Möge es mir gewehrt werden Ihnen die Meinige einst zu zeigen und zugleich wie dankbar ich dafür bin.

Obschon mein Bruder jetzt sehr wohl ist, so habe ich dennoch nicht gewagt ihm ihren Brief mitzutheilen, da dieser ihn sehr beunruhigen würde und leicht eine Stöhrung in seiner Reconvaleszens hervorbringen könnte. Zudem steht die Sache noch in weitem Felde, und muß erst zu Faden geschlagen werden ob sie überhaupt möglich ist. Diesen Versuch glaube ich, kann ich mit Ihnen allein machen. Gelingt er, so daß mir Hoffnung vorhanden ist, aus dem Plan könne etwas werden; so theile ihn meinem Bruder mit, sonst aber laßen wir ihn ganz in seiner Ruhe.

Ihr Gedanke uns wieder nach Stuttgart zu ziehen hat so vieles für sich, daß ich troz manchen trüben Errinnrungen gerne darauf eingehe. Wäre mein Bruder noch so frisch und kräftig wie in alten Zeiten, so möchte die Sache sich leicht oder doch leichter machen wie jetzt. Mein Bruder könnte dann kräftig eingreifen und einen Posten als Direcktor der Kunstschule vollkommen ausfüllen.

Jetzt aber wo seine Gesundheit so schwankend ist, wo er nicht auf sich zählen kann, geht dieses nicht. Er könnte als Direcktor nur die Oberaufsicht führen, seine Gedanken aussprechen und der unter ihm stehende Inspecktor müßte sie ausführen und die Geschäfte besorgen so nemlich daß wenn mein Bruder leidend wäre, diese ohne alle Stöhrung ihren Weg fortgingen.

Ob sich dieses so gestalten und arangieren läßt steht dahin und ist sehr zu bezweifeln. Sollte jedoch die Regierung einen so großen Werth auf die Gewinnung meines Bruders zu dieser Stelle legen, daß sie auf solch eine freie Stellung einginge; so könnte und dürfte das Gehalt des Inspecktors nicht viel geringer als Jenes des Direcktors sein, da ihm die größere Arbeit zu fiele und ich die Ansichten meines Bruders in dieser Beziehung kenne.

Mit der Berufung meines Bruders zu diesem Posten aber wäre meine Versetzung verbunden, da wie Sie wissen er sich nicht von mir trennen mag.

Eine Versetzung von mir, aber ist mit mancherley Opfer verbunden [...] Sollte jedoch der König wünschen, daß meine Glasgemälde in dem neuen Kunstgebäude aufgestellt würden, ich mich also von ihnen trennen müßte, so könnte ich sie nicht anders als gegen Leibrente abgeben [...]".

Ab 1819 hatten die Brüder bereits in Stuttgart gelebt, wo ihre berühmte Altmeistersammlung öffentlich ausgestellt worden war. Rapp hatte vergeblich versucht, die Sammlung dauerhaft für Stuttgart zu gewinnen. König Ludwig von Bayern erwarb sie 1827 für die Münchner Alte Pinakothek. Sulpiz Boisserée heiratete 1828 Mathilde, eine Tochter des Stuttgarter Kaufmanns, Kunstfreunds und Schriftstellers Gottlob Heinrich von Rapp (1761-1832). 1835 wurde Sulpiz zum bayerischen Oberbaurat und Generalkonservator ernannt. Melchior Boisserée entwickelte eine einfache Methode, Glas zu färben, und verwendete diese zur Reproduktion von Werken aus seiner Sammlung.

Spuren alter Montage. Papierausschnitt durch Brieföffnung.