Herwerden, Henrik van, klassischer Philologe (1831-1910). Eigenh. Brief mit U.

Utrecht, 11. V. 1892.

3½ SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 250.00

An einen Kollegen: "Es ist mit dem Holländischen Gymnasial-Wesen eine eigene Sache. Der Zustand war vor dem neuen höheren Unterrichts-Gesetz von 1877 so furchtbar schlecht, das[s] wir nach der infolge dieses Gesetzes in Wirkung getretenen Reorganisation der Gymnasien beziehungsweise nicht allzu unzufrieden sein dürfen. Nichtsdestoweniger hege ich die Überzeugung dass, wenn man die sehr begabte[n] Schüler ausnimmt, die 42 Stunden Latein und 32 Griechisch, nicht genügen, um die Zöglinge so weit zu bringen, wie Sie es mit Recht verlangen. Am allerwenigsten ist dieses der Fall mit den zukünftigen Medicinern und Naturforschern bezw. Mathematikern, von denen beim Abiturientencranz nog [!] weniger verlangt wird als von den Theologen, Juristen und Philologen. Wie wenig die Meisten von den Klassikern zu geniessen lernen geht wohl hieraus vor, dass es heute eine rarissima avis ist, wenn ein[er] jener Herrn im späteren Alter die Lust spürt wieder mal einen Griechischen oder Römischen Autor zur Hand zu nehmen. Dass ich nicht der einzige bin, der so urtheilt, wird Ihnen klar werden, wenn Sie bei anderen Meiner Collegen in der kl. Phil. nachfragen. Man hat selbst gefragt ob es nicht besser wäre die sämtlichen 74 Stunden auf nur eine der klassischen Sprachen zu verwenden, und die andere ganz preis zu geben, was doch nach meiner Ansicht wieder recht bedenklich wäre [...]".

Mit Redaktionsvermerk in rotem Buntstift am Rand.