"Wahrscheinlich hat man die Vorschriften inzwischen geändert und nennt das Verwaltungsvereinfachung"

Radon, Johann, Mathematiker (1887-1956). Familienkorrespondenz.

Verschiedene Orte, 1945-1955.

352 Schreiben mit über 900 SS. auf 537 Bll. sowie rund 70 SS. Nachschriften von Marie bzw. Johann Radon. Mit einigen Beilagen (s. u.).

 8,500.00

Umfangreiche Korrespondenzsammlung des österreichischen Mathematikers und seiner engsten Familie, Gattin (und Cousine) Marie (geb. Rigele) und Tochter Brigitte (1924-2020), aus den ersten Nachkriegsjahren, die die Familie von Breslau über Innsbruck - wo Brigitte bei Wolfang Gröbner Mathematik studieren und 1951 promovieren sollte - nach Wien führten, wo Johann im Oktober 1946 zum Professor am Mathematischen Institut der Wiener Universität ernannt wurde. Zu der Zeit waren Brigittes drei Brüder längst verstorben: Radons erster Sohn starb zwölf Tage nach seiner Geburt i. J. 1917, Hermann, geboren 1918, starb 1939 nach schwerer Krankheit, und Ludwig, geboren 1919, starb1943 im Zweiten Weltkrieg im Rußlandfeldzug nach einem Lungendurchschuss. Es nimmt nun nicht Wunder, daß diese über Jahre hinweg dezimierte Familie um so enger zusammenrückte und die räumlich bedingte Entfernung in den ersten Nachkriegsjahren durch Briefe überbrückt wurde. So erfährt man neben häuslichem Klatsch und Tratsch viel über den Vorlesungs- und Universitätsbetrieb in Wien ("Von meiner Antrittsvorlesung soll ich Dir auch noch schreiben: ich hab zuerst ein paar Erinnerungen an meine Studienzeit ausgekramt und dann als Einleitung zur Differentialgeometrie etwas über die Krümmung von Kurven, Flächen u. Räumen erzählt" (24. IV. 47, 156), seine hiesigen Kollegen (In Wien […] lesen außer mir Hofreiter (Diff. u. Int. R., part. Diff.-gln), Hlawka (Algebra) u. Hornich (Funkt.-Theorie)", 10. VII. 47, 171) oder den Doktorvater seiner Tochter ("Hoffentlich ist Gröbner endlich einmal zufrieden!" (o. D., 181). Beherrschendes Thema der ersten Jahre sind freilich die mannigfachen Schwierigkeiten bei der Suche nach Wohnung Lebensmitteln, Brennstoff ("Auf die Kohlenkarte gab es jetzt 100 kg Briketts, das ist doch immerhin ein Anfang" (o. D., 193) und vor allem Tabak: "Wenn Du wieder Deine Karte nicht ganz für eigene Zwecke benötigst, so kannst du mir Zigarren (Pagat à 50g, 4 auf einen Punkt!) besorgen, das kommt billiger u. ist mir lieber. Ich nehme auch gern die III-er Zigaretten, falls die bei Deinen Kundschaften keinen Anwert finden sollten!" (o. D., 194). Gelegentlich unterstützt Johann seine Tochter auch bei der Lösung mathematischer Fragen (21. VI. 47, 186) und gibt ihr Tipps zur Absolvierung der ungeliebten Philosophieprüfung: "Schau einmal in der Seminarbibliothek nach, ob die 'klassischen Stücke der Mathematik' von Speiser da sind, da steht ziemlich am Anfang eine Stelle aus Plato mit mathematischem Inhalt (Länge der Quadratdiagonale), vielleicht kannst Du das bei der Prüfung anbringen, dann hast Du wenigstens etwas von einem griechischen Philosophen gelesen!!" (25. XI. 48, 167).

Neben den Briefen der Kernfamilie finden sich auch einige von Brigittes Großmutter Elise, Brigittes Mann, dem Mathematiker und späteren Rektor der TH Wien, Erich Bukovics, und dem Tenor Julius Patzak, mit dem Brigitte freundschaftlich verbunden war. Abgerundet wird die Sammlung durch verschiedene Lebensdokumente, darunter beglaubigte Abschriften von Anton Radons (Johanns Vater) Totenschein, Johanns und Maries Trauungsschein, Geburts- und Sterbeurkunden der Söhne, Taufregisterauszüge, Impfscheine, Zeugnisse u. a. sowie durch zwei Schallplatten und 20 tls. gewidmete Bücher und Broschüren aus dem Besitz Brigitte Radons.

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