"Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug lieben": Cosima Wagner und ihre Halbschwester Claire de Charnacé

Wagner, Cosima, Tochter Franz Liszts und zweite Gattin von Richard Wagner (1837-1930). 2 eigenh. Briefe mit U. und 1 eigenh. Brieffragment mit U. "Cosi" und "Cose".

[Berlin], 29. IV. 1862 und "Jeudi matin" [1862].

Zusammen 10 SS. 8vo.

 3,800.00

Inhaltsreiche französischsprachige Briefe an ihre Halbschwester Claire de Charnacé (1830-1912) in Paris. Der mit "Donnerstag morgen" datierte Brief wurde zweifellos im Frühjahr 1862 in Löwenberg in Schlesien begonnen, wo Cosima Wagner Gast des Prinzen Konstantin von Hohenzollern-Hechingen war: "Unser Mäzen, bei dem wir ein zurückgezogenes Leben führen, das aus Musik, Freiheit, Liebenswürdigkeit und Lebendigkeit besteht. Die Konzerte folgen den Proben, die selbst Konzerte sind, weil oft ganz andere Sachen geprobt werden, als das, was vor Publikum gespielt wird. Der Prinz ist die erste Person nach mir, die die Musik so liebt und versteht wie ich, wie ich liebt er eigentlich nichts anderes als Musik und versteht sie, würde ich sagen, so wie ich, aber ich bin bescheiden. Die 24 Konzerte, die er in seinem charmanten Saal den Leuten aus der Stadt und ihrer Umgebung anbietet, bestehen aus hervorragenden Werken und umfassen die gesamte Musik; weder Vergangenheit noch Gegenwart oder Zukunft, wenn man so will, sind ausgeschlossen" (Übs.).

Zurück in Berlin, das ihr im Vergleich mit Löwenberg als "Tohuwabohu" erscheint, erwähnt sie ihre Arbeit für die "Revue germanique", die sie scherzhaft als "maman germanique" bezeichnet, und kommentiert die turbulente politische Lage in Preußen und dessen Konflikt mit Österreich: "Jetzt steht Preußen mit dem Rücken an der Wand, das heißt, es muss Partei ergreifen; ich für mein Teil sehe diese Krise sehr positiv und, wenn ich mich nicht irre, könnte sie zu einem Umschwung führen, der sehr vorteilhaft für Preußen ist [...] Unterdessen steht der Bruch mit Österreich kurz bevor, und womöglich wird die venezianische Frage ins Zentrum dieses Konflikts rücken, der alle hier beschäftigt und alarmiert. Meiner Meinung nach bleibt Preußen nur mehr, an das deutsche Volk zu appellieren, sich gegenüber Österreich, das von den vier Königreichen und einigen Fürstentümern unterstützt wird, durch Patriotismus zu behaupten, und damit, mit einem Wort, die liberale Macht im Gegensatz zur autokratischen zu repräsentieren [...]". Gegen Ende des Briefes findet Richard Wagner Erwähnung, der augenblicklich in Paris weilte: "Jetzt habe ich schon lange keine Neuigkeiten von Wagner; ich bezweifle, dass er die Einladung von Mutter wahrgenommen hat, wenn er arbeitet, benötigt er absolute Ruhe, und die Salonkonversation ist ihm generell unsympathisch".

Im Brief vom 29. April 1862 vergleicht Cosima das Leben in Frankreich und Deutschland: "Ich sehe, dass ihr euch amüsiert, während wir in unserer Gegend uns bilden, bessern und uns langweilen, und ich ziehe daraus weitreichende Schlüsse, die Deutschland zum Vorteil gereichen, jedoch nicht meine Vorliebe für Frankreich erschüttern, so sehr sind Räsonnements und Überlegungen der Liebe fremd". Nicht weniger von Leidenschaft geprägt sind Cosimas Wünsche für das eigene Leben: "Ich bin genauso entschlossen wie Sie, ganz und gar zu sterben, das bedeutet, sich nicht nach und nach Herz, Geist, Vernunft auslöschen zu lassen. Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug lieben, ich werde mich bis zu meinem letzten Atemzug Illusionen hingeben". Ihre Mutter Marie d'Agoult kündigte einen Besuch an, jedoch "ohne mir die geringste Freude am kommenden Wiedersehen zu bezeugen; ich gebe zu, noch immer so naiv zu sein, so banal, so sehr antiquierten Formen der Zärtlichkeit anzuhängen, dass ich erst verdutzt war und dann traurig". Ein besseres Verhältnis hatte Cosima zu ihrer Schwester Blandine Ollivier, die jedoch im September 1862 im Kindbett sterben sollte: "Was mich betrifft, denke ich, dass Blandine gut daran tut, Paris zu verlassen, um in ihrer Maisonette in Ruhe zu gebären und zu säugen [...]". Es folgen Anmerkungen zur aktuellen Lektüre, darunter Renans "Vie de Jésus", Hugos soeben erschienene "Les Misérables" und Faust II, die sie "mit mehr Begeisterung und Zufriedenheit als je zuvor" liest. Schließlich drückt Cosima ihren Wunsch aus, Claire in Wiesbaden zu treffen, das sie als ihren "Rhein" bezeichnet - zweifellos in Anspielung auf Wagners Aufenthalt im nahegelegenen Biberach von 1862 bis 1863.

Das Brieffragment kann auf 1861 datiert werden. Cosima kommentiert darin Jules Michelets naturgeschichtliches Werk "La Mer" und den aufsehenerregenden Prozess gegen den Bankier Jules Mirès.

Die vollständigen Briefe auf Briefpapier mit geprägtem Monogramm "CBL". Leicht gebräunt.

Stock Code: BN#58739 Tag: