"gebe der Himmel, dass ich bald wieder Ruhe zur Arbeit finde: sie einzig kann mir über mein leidvolles Leben hinweghelfen"
Eigenh. Brief mit U.
4 SS. auf Doppelblatt. 4to.
€ 9,500.00
Schöner Brief aus Wagners letzten Tagen in Zürich, die unter dem Eindruck des endgültigen Bruchs mit seiner Frau Minna standen. Der Adressat des Briefs ist der befreundete Tenor Josef Tichatschek, der an der Dresdner Oper sehr erfolgreich mit Wagner zusammengearbeitet und auch in der Uraufführung des "Rienzi" 1842 die Titelpartie übernommen hatte: "Du hast mich durch die verständissvolle und innige Weise, mit der du mir deine Theilnahme für meine Lage ausdrückst, sehr gerührt und ergriffen! Du weisst, was mich so niederdrückend einnahm, als du bei mir warst, und verzeihest mir somit auch, dass ich dir nicht immer so heiter und unbefangen zu begegnen vermochte, wie es dein so sehr liebenswürdiger Besuch verdient hätte. Ende dieser Woche reise ich von Zürich fort. In Oberitalien, vermuthlich in Venedig, will ich suchen mir wieder ein Arbeitsstübchen zu bereiten; gebe der Himmel, dass ich bald wieder Ruhe zur Arbeit finde: sie einzig kann mir über mein leidvolles Leben hinweghelfen. Meine Frau gedenkt bis Ende des Monates unser Häuschen zu räumen; einiges wird sie verkaufen, das Beste soll sie verpacken lassen. Mein Wunsch ist, dass sie sich bald mit unsren Sachen in Deutschland wieder einrichtet. Welches mein ferneres Schicksal sein wird, kann ich jetzt nicht bestimmen; nur Eines suche ich: Ruhe, und nur Eines hoffe ich: wiederkehrende Arbeitslust […]".
Weiters über seine Bearbeitung von "Rienzi", die er "nach Deinem Wunsche, hier in Kürze" anfügt, und mit der Bitte, ihm doch "den Erfolg Deiner so schönen, ächt freundschaftlichen wie künstlerischen Bemühungen" zu melden.
Wagner verließ in der Woche darauf Zürich und reiste nach Venedig, um sich dort niederzulassen und weiter am "Tristan" zu arbeiten; Minna zog Anfang September zu ihren Verwandten nach Dresden. Erst drei Jahre später sollten sie einander in Paris wiedersehen, wo im März des Jahres 1861 der "Tannhäuser-Skandal" die musikalische Welt durchrüttelte; im Jahr darauf kam es im Februar 1862 ein letztes Mal zu einer persönlichen Begegnung, als Wagner in Wiesbaden-Biebrich an seinen "Meistersingern" arbeitete.
An wenigen Stellen unbedeutend fleckig, sonst tadellos erhalten.
Abgedruckt in: Klaus Burmeister und Johannes Forner (Hg.), Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Bd. IX (Leipzig, 2000), Nr. 237. Dort auch die dem Brief ursprünglich beigelegene, mit "17. Juli 1858" datierte Anlage, in der die Kürzungen vermerkt sind.