"Ohne die Stütze [...] eines hervorragenden Ingenieurs für meine laienhaften Gedanken, darf ich nicht wagen": Graf Zeppelin und der Verein Deutscher Ingenieure

Zeppelin, Ferdinand Gf. von, General der Kavallerie und Erfinder des lenkbaren starren Großluftschiffs (1838-1917). Eigenh. Brief mit U.

Lausanne, 19. XII. 1896.

3½ SS. auf Doppelblatt. 4to.

 2,500.00

Inhaltsreicher Brief an einen nicht namentlich genannten "Baudirector", womöglich Zeppelins Förderer Carl von Bach, im Vorfeld einer wichtigen Kommissionssitzung des Vereins Deutscher Ingenieure zur Finanzierung der Konstruktion von Zeppelins Starrluftschiff. Offenbar hatte Zeppelin technische Fragen zu seinem Konstruktionsvorhaben an den Empfänger gerichtet, woraufhin dieser die Befürchtung äußerte, dass der Graf die Antworten dazu nützen könnte, "Professor Lindes Gutachten anzufechten", wobei es sich zweifellos um den Ingenieur Carl von Linde handelte. Zeppelin versucht diese Sorge unter Hinweis auf den Schaden für die eigene Sache, den die "unausbleibliche Verstimmung des Hrn. Linde" nach sich ziehen würde, zu zerstreuen, und greift Befürchtungen in Bezug auf den Ingenieur Theodor Peters vor: "Auch Herrn Peters gegenüber habe ich nur von Dingen gesprochen, die ich ganz privatim an Sie gerichtet habe, um ein Urteil über den Wert meiner eigenen Auffassungen zu bekommen, bevor ich mit denselben von mir aus hervortreten würde. Überdies glaube ich Hrn. Peters ausdrücklich gebeten zu haben, Herrn Linde nicht zu sagen, daß ich mich an Sie, - wenn auch nur in dieser Weise - gewendet habe." Es folgt ein langes Selbstzitat aus einem Brief an Peters, in dem Zeppelin auf die Unmöglichkeit eines neuen Gutachtens zur Geschwindigkeit seines Luftschiffes hinweist: Peters hatte Zeppelin um "bestimmtere Angaben" zur Geschwindigkeit gebeten, um eine "Bemerkung im Aufruf" zur Finanzierung, derzufolge Zeppelins Luftfahrzeuge "keine größere Geschwindigkeit als die schon bisher erreichte" versprächen, noch zu ändern. Zeppelin erklärt, dass ihm derzeit die Stütze "eines hervorragenden Ingenieurs" für seine "laienhaften Gedanken" fehle, um diese geltend machen zu können, und dass Carl von Linde und sein Gönner Carl von Bach als Gutachter nicht in Frage kommen. Daher bleibe ihm "nur die Hoffnung übrig, es werde, auch wenn der Aufruf die Bemerkung enthält, [...] gelingen, die erforderlichen Kapitalzeichnungen zu bekommen" und Peters zu bitten, Lindes Entwurf für den Aufruf "beim Vorstande in Umlauf setzen zu wollen". Zeppelin drückt dem Empfänger gegenüber die Hoffnung aus, dass dieser den zitierten Brief an Peters billigen werde, und dankt ihm im Voraus für die Beantwortung seiner Fragen: "Fällt dieselbe einigermaßen zustimmend aus, so wird dadurch wenigstens mein Bewußtsein gehoben, wenn auch wohl kein unmittelbarer Nutzen mehr daraus folgen wird".

Im spannenden zweiten Teil des Briefes weist Zeppelin politisch-militärische Einwände gegen das Vorhaben zurück und berichtet von einem vielversprechenden Besuch in Carl Bergs Hammerwerk in Werdohl, wo die Aluminiumteile für das Luftschiff mit innovativen Techniken hergestellt werden sollten: "Die in die Kommission gejagten Schreckschüsse, wegen der Verschlechterung des Gases durch die Einfüllung, und wegen des geringen Wertes, den die Marine auf Luftschiffe lege, haben sich inzwischen als ganz unberechtigt herausgestellt. An jener trägt nur die unglaubliche Ungeschicklichkeit eines in Berlin zur Zeit vorgenommenen Unternehmens schuld; während mir bezüglich der Marine von kompetenter Seite eine Ausführung über den außerordentlichen Nutzen zugegangen ist, welchen meine Luftfahrzeuge der Marine bringen würden. Auf meiner Reise habe ich auch Berg in Eveking bei Lüdenscheid besucht und mich dort überzeugt, daß ganz bedeutende Fortschritte in der Behandlung des Aluminiums aus seinen Legierungen gemacht worden sind. Daraus wird sich für das Gewicht meiner Fahrzeuge zweifellos eine erhebliche Ersparnis ergeben, welche zu weiterer Vermehrung der Betriebskraft verwendet werden kann [...]".

Noch 1894 hatten von Kaiser Wilhelm II. berufene Sachverständige Zeppelins Projekt für undurchführbar erklärt, und Zeppelin wurde weithin als Phantast abgetan. Ab 1896 unterstützte der Verein Deutscher Ingenieure das Projekt. Zeppelin wurde Vereinsmitglied, und die im Brief erwähnte Kommission stellte ein positives Gutachten aus. Dennoch bedurfte es noch mehrerer Finanzierungsrunden und erheblicher privater Aufwendungen Zeppelins, bevor das erste lenkbare Luftschiff "LZ1" am 2. Juli 1900 in Manzell abheben konnte.

Altersbedingt gebräunt. Mit Einrissen im Falz und zwei restaurierten Stellen.

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