Heine, Heinrich, Dichter (1797-1856). Brief mit eigenh. U. ("Heinrich Hein[e]").

Paris, 1. XI. 1850.

3 SS. auf Doppelblatt. 8vo.

 18,000.00

An den Schriftsteller Alfred Meißner, dessen Vater Eduard den Schreiber "in dem Momente einer sehr bösen Krisis" besucht und ihm einige Zeilen seines Sohns überbracht hatte: "Ihr Artikel über mich hat außerordentlich viel Glück gemacht, und dem Stil und der Haltung des Ganzen wird das glänzendste Lob ertheilt. Ich freue mich sehr, daß Sie nicht blos poetische Begabniß an den Tag legen, was ich gleich Ihnen abmerkte, als ich Ihren Ziska [sic] las, sondern daß Sie auch ein so feines Ohr für deutsche Prosa haben, was viel seltener noch als Poesie bei den Deutschen angetroffen wird. Wahrheit im Fühlen und Denken hilft einem sehr viel in der Prosa; dem Lügner wird der gute Stil sehr erschwert […]". Weiters leitet er Meißner einen für ihn bestimmten Brief weiter und berichtet, daß er "mehrere Deutsche in Bezug auf den Musenalmanach gefragt" habe, "z. B. den trauernden, westöstlichen Schwalben-Rabbi Wiehl, welcher mich soeben verläßt, aber Niemand wußte mir Etwas davon zu sagen. Vergebens befrug ich darüber auch Stahr, welcher mit Mademoiselle Lewald nochmals zu mir kam; beide scheinen wieder abgereist zu sein, denn Roß und Reiter sah ich niemals wieder […] Mit meiner Gesundheit sieht es noch immer miserabel aus, und mit Schaudern bemerke ich, daß mein Rücken sich krümmt. Meine Frau ist wohl und läßt freundlich grüßen. Es scheint, daß die schleichende Wanze, die das Buch über die Februar-Revolution geschrieben und deren Namen ich hier nicht nennen will, des Geruches wegen, es scheint, daß dieses Insect aus Ärger über mich und meine Frau sich in Bezug auf Sie, lieber Freund, und unsere großäugige Elise, einen gar schäbbigen Cancan erlaubt hat; wenigstens soviel habe ich den Andeutungen Seifferts, der nicht mit der Sprache heraus wollte, abgemerkt. Doch genug davon, sonst gerathe ich selbst ins Cancaniren. An Laube habe ich endlich geschrieben und meine Gedanken über sein Parlamentsbuch sprach ich unumwunden aus; es fiel mir wie Blei vom Herzen, nachdem ich es gethan. Ich merke, daß ich allzu sehr Deutscher bin, als daß ich meine Meinung verschweigen könnte und koste es mir auch einen Freund [...]".

Meißners Artikel ist "Vom Krankenbett Heinrich Heines, Paris, am 10. September 1850" (abgedruckt in Deutsche Zeitung in Böhmen, Nr. 262, 20. IX. 1850). Mit dem Philologen und Publizisten Ludwig Wihl, auf dessen Gedicht "Der trauernde Rabbi" (1836) und die Gedichtsammlung "West-östliche Schwalben" Heine hier anspielt, hatte sich Heine Ende der 1830er Jahre überworfen, nicht zuletzt, weil dieser "sogar die Impertinenz [hatte] zu meiner Mutter zu gehen und sich als ein Eingeweihter in meine delikatesten Verhältnisse zu präsentiren. Welcher Degout!" (Brief vom 7. IV. 1839 an Gustav Ferdinand Kühne, HSA Bd. 21, S. 318, Brief Nr. 752). Die "schleichende Wanze" ist der Publizist und Diplomat Felix Bamberg; Elise Arnault war eine Freundin Mathilde Heines.

Stellenweise stärker fleckig, die rechte untere Ecke bei beiden Bll. ausgerissen (dadurch Verlust des zweiten "e" in "Heine").

References

HSA Bd. 23, S. 60, Brief Nr. 1309.

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