Strauss, Richard, Komponist (1864-1949). 3 eigenh. Briefe mit U.

[Garmisch], 1924 und 1928.

Zusammen 9¾ SS. auf 6 Bll. 8vo.

 12.000,00

Drei schöne Briefe an Lotte Lehmann, die mit dem Komponisten noch weit über beider Tod hinaus verbunden sein sollte, trägt ihr Grabstein doch Strauss' Zitat "Sie hat gesungen, daß es Sterne rührte". Im ersten Brief, geschrieben am Weihnachtstag 1924, dankt Strauss voll Herzlichkeit für ihre Leistung bei der Uraufführung seines "Intermezzo" am 4. November im Dresdner Schauspielhaus: "Ihr hübscher Brief an die Urchristine, über den sich dieselbe sehr gefreut hat u. einstweilen durch mich herzlich danken läßt, gibt mir den nötigen Schub's, um Ihnen - seit 4 Wochen hab ich es vor - zu sagen, wie sehr ich bedauert habe, Ihnen in Dresden nicht mehr persönlich danken zu können für Alles, was Sie an gesanglichem u. schauspielerischem Können, an schöner Stimme u. Erscheinung, an Fleiß, Ruhe u. wirklicher Liebe für Intermezzo aufgewendet haben. Ich weiß wohl, daß Ihre vollendete Leistung den starken unmittelbaren Erfolg verursacht u. Ihr Vorbild allen Nachfolgerinnen den Weg geebnet hat, den Sie nun anscheinend überall mit demselben triumphalen Erfolg wandeln. Ich wollte Ihnen dies vor Ihrer Abreise nach dem weißen Hirsch noch selber sagen; Sie waren aber schon auf u. davon. Wann sind Sie wieder in Dresden? Hoffentlich auch als Ariadne, Marschallin und - Salome! Wie steht's damit? Oder hat Herr Schalk eine Reihe wichtigerer u. dankbarerer (!) Aufgaben für Sie? Freund Fritz [von Pietro Mascagni] - Euryanthe [von Carl Maria von Weber] o. andere gangbare Opern?! […]".

Am 13. September 1928 versucht Strauss, Lehmann nach einem Eklat um die "Ägyptische Helena" zu besänftigen. Geschrieben hatte Strauss die Titelrolle für Maria Jeritza, doch da die Dresdner Staatsoper sich weigerte, die von der Jeritza geforderte Gage zu zahlen, wurde dort schließlich Elisabeth Rethberg mit der Rolle betraut, in der sie am 6. Juni die Uraufführung bestritten hatte. Fünf Tage darauf, am 11. Juni, hatte jedoch die Wiener Erstaufführung mit Maria Jeritza stattgefunden, deren Part nach vier Aufführungen von Vera Schwarz übernommen worden war. Irgendetwas an diesem Dreieck aus Jeritza, Rethberg und Schwarz muss Lotte Lehmanns Unmut hervorgerufen haben, die ab Herbst die Rolle hätte bestreiten sollen. Wie von Lehmann gewünscht, "jetzt im Hochsommer eine 'Berichtigung' einzusenden, die wahrscheinlich kein Mensch verstanden hätte", habe ihm widerstrebt, aber "die Notiz, wie Sie sie wünschen, entspricht ganz meiner Absicht u. wird wörtlich an die Herrn Dr. [Heinrich] Kralik u. Professor [Max] Graf abgehen, sobald ich ungefähr das Datum weiß, an dem Sie die Helena zum ersten Male singen werden. Aber nun lassen Sie sich auch bitte durch keinerlei Theaterklatsch mehr irritieren! Zu Ihrer letzten definitiven Beruhigung teile ich Ihnen mit, daß ich über die Helena der Frau Jeritza zwar sehr begeistert war, aber trotzdem darüber keine Träne vergossen habe (vielleicht werden Sie mir dieselben entlocken!)". Er sei sich "sehr genau bewußt […] (wie ich überhaupt Vergleiche an Künstlern, die meine Rollen singen, grundsätzlich vermeide), daß ich gerade im Juni es geradezu ängstlich vermieden habe, die beiden Leistungen der Frau Jeritza u. der Frau Rethberg (eine andere Helena habe ich bis jetzt nicht gehört) in Parallele zu stellen. Halten Sie mich wirklich für so dumm u. unbesonnen? Aber immerhin ist es, falls Ihnen wieder solcher Quatsch hinterbracht wird, besser, Sie schreiben sich Ihren so leicht entflammbaren Zorn von der Leber weg u. geben mir sofort Gelegenheit, diese Albernheiten zu berichtigen, als Sie lernen die Helena im Groll hinein: das könnte Ihrer herrlichen Stimme schaden […]".

Zwei Tage später, am 15. IX., schreibt er erneut über Lotte Lehmanns Wiener Helena: "Alwin [d. i. der Dirigent Karl Alwin] telegrafiert mir verzweifelt, daß Sie trotz größter Bemühungen im Oktober noch nicht die Helena singen wollen, sondern später. Ich habe ihn gebeten, [Sie in] Ruhe studiren zu lassen u. ja nicht zu drängeln! Ich bin aber selbst überzeugt, daß Sie nach nur 14 tägigem Studium sagen werden, daß die Rolle gar nicht so schwer ist, 3 mal so leicht als Intermezzo, daß Sie doch in 3 Wochen spielend bewältigt haben u. dann werden Sie selbst das Bestreben haben, diese Ihre neue Prachtrolle den Wienern vorzuführen! Sie haben mir versprochen, die Helena herauszubringen, sobald Frau Jeritza Wien verlassen hat. Dies ist nun 4 Wochen früher erfolgt, als die Direktion der Staatsoper erwartet hatte u. offen gesagt, wäre es in Ihrem u. des Werkes [Interesse] nicht gut, wenn die Wiener allzu lange auf Ihre Helena warten müssten […]".

Lange mussten die Wiener nicht warten, denn Lotte Lehmann sollte gar nie die Helena singen, weder in Wien noch anderswo: Stattdessen hatte sie sich zu jener Zeit in den Kopf gesetzt, die Partie der Isolde zu meistern, ein Unterfangen, von dem ihr Leo Slezak and Lauritz Melchior dringend abrieten, wohingegen Franz Schalk und Bruno Walter bereit gewesen wären, das Risiko zu wagen und sogar für sie das Orchester zu dämpfen und ihr einen lyrischen Tristan an die Seite zu stellen. Doch dazu sollte es auch nicht kommen, Lotte Lehmann stand nie als Isolde auf der Bühne, sang aber immerhin deren Liebestod im Konzert und zweimal auf Schallplatte.

Zustand

Jeweils auf Briefpapier mit gedrucktem Briefkopf von Strauss' Landhaus in Garmisch und rotem Eingangsstempel; unbedeutend fleckig.

Art.-Nr.: BN#63303 Schlagwörter: ,