"Sinnige Treue und Sorgfalt"

Uhland, Ludwig, Dichter (1787-1862). Eigenh. Brief mit U. ("L. Uhland").

Tübingen, 23. II. 1852.

2½ SS. auf Doppelblatt. 4to.

 2.800,00

An den namentlich nicht genannten Nürnberger Architekten und Künstler Carl Alexander Heideloff (1789-1865), der sich bereits Mitte vorhergehenden Monats mit der Bitte um ein künstlerisches Urteil an Uhland gewandt hatte: Er solle Randzeichnungen zu einer Übersetzung des Dies irae und des Stabat mater liefern, die ein Freiburger Freund, Herr von Stöckern, angefertigt habe; Heideloff hatte sich von seinem Landsmann eine Äußerung zur Druckwürdigkeit der Texte gewünscht. Uhland erwidert: "Verehrtester Freund! Ihr werthes Schreiben kam bei mir an, als ich durch Angelegenheiten einer Vormundschaft auf längere Dauer in Anspruch genommen war. Entschuldigen Sie damit meine verspätete Antwort. Die mitgetheilten Uebersetzungen haben mir gleich beim ersten Lesen den Eindruck gemacht, daß hier der rechte Ton des alten kirchlichen Gesangs getroffen sei, und das ist zum Voraus eine Hauptsache. Aber auch im Einzelnen, bei der Vergleichung mit den Texten, ergibt sich sinnige Treue und Sorgfalt, ohne daß darunter die freie Bewegung gelitten hätte. Es ist gewiß richtig, gerade da am genauesten zu reimen, wo der Reim, wie in Dies irae, als ein mehrfacher schwierig ist, eben aber durch den wiederholten Anschlag, besonders im Deutschen, welches dessen weniger gewohnt ist, die Aufmerksamkeit des Ohres auf sich lenkt. Einige Bemerkungen über Einzelstellen habe ich beigelegt. Die versuchten abändernden Fassungen sind nicht so gemeint, als ob damit nun das Rechte gefunden wäre, sie sollten nur meine Absicht positiv ausdrücken und, soweit diese gebilligt wird, das Anlegen der letzten Hand hervorrufen. Erlauben Sie noch, daß ich Anlaß nehme, eine Sache, die nicht mich selbst betrifft, bei Ihnen in wohlwollende Erinnerung zu bringen. Sie übernahmen es vor mehreren Jahren gefälligst, für unsern Landsmann, Dr. Moriz Rapp, damals in Rotweil, sich zum Behuf des Verkaufs einer ihm zugehörigen Sammlung Riepenhausenscher Handzeichnungen im Kreis Ihrer ausgebreiteten Verbindungen umzusehen. Diese Sammlung, der Ihr kundiges Urtheil einen nicht unbedeutenden pekuniären Werth zuerkannte, wird nahezu das Einzige sein, was dem Eigenthümer, der auf Studien und Reisen Vieles verwendet hat, von der väterlichen Erbschaft übrig geblieben ist. Er lebt hier als Docent an der Universität, mit dem Titel eines Professors, aber ohne den festen Gehalt eines solchen, mit einem kleinen, widerruflichen Wortgeld. Seine ausgezeichnete sprachwissenschaftliche Kenntniß und Begabung, wovon ein Werk, das sich eben im Drucke befindet [d. i. "Vergleichende Grammatik", Bd. 1, Cotta 1852], neues Zeugniß ablegen wird, ist zwar wohl geeignet, ihm als Gelehrten Achtung zu verschaffen, nicht aber, da diese Fächer kein zahlreiches Publikum haben, ihm auch ergiebige schriftstellerische oder akademische Honorare abzuwerfen. Seine Gesundheit ist öfters leidend und all dieß zusammen macht es seinen Freunden höchst wünschenswerth, daß ihm für spätere Jahre das Mögliche gewahrt bleibe. Darum würden Sie einem wahren Anliegen derselben erfreulich entgegenkommen, wenn Sie wirklich für jenen ererbten Kunstschatz ein entsprechendes Angebot zu erlangen vermöchten, oder, sofern Sie hiezu keine Aussicht mehr haben, solchen jetzt an Rapp zurückgehen ließen, damit er selbst etwa sich ergebende Gelegenheit zum Verkaufe wahrnehmen könnte. Ich schreibe dieß, ohne dazu von Rapp, der seine eigenen Interessen nur zu wenig betreibt, irgend beauftragt oder veranlaßt zu sein, einzig weil mir sein Geschick am Herzen liegt und ich mich zugleich der freundlichsten Gesinnung von Ihrer Seite stets zu erfreuen hatte. Indem ich das Manuscript der Lieder hiebei zurückgebe und dem geehrten Uebersetzer mich bestens zu empfehlen bitte, bin ich mit alter Freundschaft und Hochachtung der Ihrige [...]".

Literatur

Uhlands Briefwechsel IV (1916), S. 17f., Nr. 2428 "(Or[iginal] war 1908 im Handel").

Art.-Nr.: BN#38288 Schlagwort: