Ein Grundlagenwerk der vergleichenden Linguistik, das nie erscheinen sollte: Heinrich Julius Klaproths "Nouveau Mithridates"

Klaproth, Heinrich Julius, Orientalist (1783-1835). Verlagsankündigung des "Nouveau Mithridates". Eigenh. Manuskript mit U.

O. O., [1828].

Französisches Manuskript auf Papier. 3½ SS. auf Doppelblatt. Folio.

 6.500,00

Historisch bedeutender Entwurf der Verlagsankündigung zu Klaproths letztlich nie gedrucktem "Nouveau Mithridates", einer groß angelegten Vergleichsstudie aller bekannten Sprachen der Welt. Beruhend auf Klaproths darin getroffener Aussage, dass 22 Jahre seit dem Erscheinen von "Mithridates oder allgemeine Sprachkunde" von Johann Christoph Adelung und Johann Severin Vater vergangen sind, kann das Manuskript auf das Jahr 1828 datiert werden. Dazu passt auch ein Brief Klaproths vom 22. Februar 1829 an seinen Verleger Georg Friedrich Cotta in Stuttgart, in dem er fragt: "Soll ich den Prospectus des Mithridates nun drucken und verteilen?" Zu diesem Zeitpunkt war das von Alexander von Humboldt geförderte Publikationsprojekt jedoch im Grunde schon gescheitert, und in der weiteren Korrespondenz zwischen Klaproth und Cotta findet es keine Erwähnung mehr. Als wichtigster Grund müssen wohl die immensen Kosten angenommen werden, die für die Publikation zu veranschlagen gewesen wären. Der "Nouveau Mithridates" sollte einen Atlas mit einer "kompletten Sammlung der Alphabete und Schriften der diversen Völker der Welt" umfassen, für die die entsprechenden Drucktypen benötigt wurden. Klaproth drängte darauf, das Werk von der Imprimerie Royale in Paris drucken zu lassen, die über eine der größten Sammlungen an nicht-lateinischen Typen verfügte, was Cotta jedoch ablehnte. Dass 1826 der erste Band von Adriano Balbis "Atlas ethnographique" erschienen war, dürfte zum letztlichen Scheitern des Projekts beigetragen haben.

In dem spannenden Ankündigungstext skizziert Klaproth eine Geschichte seiner jungen Wissenschaft und erörtert die Notwendigkeit der Publikation. Gottfried Wilhelm Leibniz habe als erster erkannt, dass "nichts geeigneter wäre als der Vergleich der Sprachen untereinander, um die Verwandtschaft der verschiedenen Völker der Welt darzulegen und sie nach den natürlichen Verbindungen, die sie notwendig zusammenhalten, angemessen zu klassifizieren" (Übs.). Frühe Versuche wie Georg August von Breitenbachs "Vorstellung der vornehmsten Völkerschaften der Welt nach ihrer Abstammung, Ausbreitung und Sprachen" von 1786 und Peter Simon Pallas' in Auftrag von Zarin Katharina II. begonnenes, jedoch unvollendet gebliebenes vergleichendes Wörterbuch aller Sprachen mussten aus Klaproths Sicht vor allem aufgrund des fehlenden Beispielmaterials unzulänglich bleiben.

Unmittelbarer Bezugspunkt des Projekts war der "Mithridates" von Adelung und Vater, der "trotz seiner Fehler immer eines der bemerkenswertesten Werke des 19. Jahrhunderts bleiben wird". Klaproth kritisiert jedoch, dass die Sprachanalysen und -vergleiche darin durchwegs auf Übersetzungen des Vaterunsers beruhen; dieses "erhabene Gebet" aber sei "hinsichtlich der Philologie wenig geeignet, instruktive Ergebnisse zu vermitteln". Vielmehr seien gerade in den beiden Jahrzehnten seit Erscheinen des "Mithridates" außergewöhnlich viele neue Quellen nach Europa gelangt: "Aus Südasien und Ozeanien lagen noch nicht so viele Wörterbücher, Grammatiken und übersetzte Texte vor wie jene, die uns heute zu Gebote stehen. Salt, Seetzen, Bowdich, Lyon, Dard, Denham und Clapperton hatten noch nicht das Innere Afrikas erforscht und die Idiome seiner Bewohner gesammelt; die eifrigen Forschungen der Gelehrten Amerikas über die Sprachen jenes Teiles der Welt waren noch nicht entstanden." Klaproth hebt sein wissenschaftliches Netzwerk in Europa, Asien und Amerika hervor, das es ihm erlaubt habe, den "Nouveau Mithridates" in Angriff zu nehmen, und beschreibt die geplante Publikation, wobei er die zu diesem Zeitpunkt noch religiös konnotierte "Frage nach dem Ursprung der Sprache" interessanterweise ausklammert: "Der Autor beschränkt sich auf die systematische Klassifizierung von Völkern und Sprachen; er schließt die Frage nach dem Ursprung der Sprache im Allgemeinen von seinen Untersuchungen aus - eine Frage von großer Bedeutung, die neu aufgeworfen worden ist und mit der sich heute mehrere Gelehrte mit Eifer beschäftigen. Bei der Behandlung eines jeden Idioms wird Klaproth einen historischen Überblick über das Volk geben, das es spricht, eine allgemeine Tabelle der Grammatik dieser Sprache liefern, begleitet von einer bibliographischen Notiz der wichtigsten Werke, deren Gegenstand sie ist, und sodann einen sorgfältig ausgewählten Originaltext, begleitet von einer Interlinearübersetzung und einer grammatischen Analyse. Nur wenn es der Mangel an anderen Stücken unvermeidlich macht, wird das Vaterunser als Beispiel herangezogen." Neben dem bereits erwähnten Atlas sollte die Publikation auch "ein mehrsprachiges vergleichendes Wörterbuch aller Sprachen" als Ergänzungsband umfassen. Der Atlas sollte die einzige vergleichbare Publikation von Michel-Ange-André Le Roux Deshauterayes im Rahmen der "Encyclopédie méthodique" an Umfang und Exaktheit weit übertreffen.

Ein minimaler Einriss im Falz und eine Quetschfalte; wohlerhalten.

Literatur

U. Tintemann, Julius Klaproths Mithridates-Projekt: Alexander von Humboldt und das Verlagshaus Cotta, in: HiN (Alexander von Humboldt im Netz) XV (2014), 29 (Potsdam 2014), SS. 99-107.