Barocke Rezepthandschrift mit adeligen Quellen

[Rezept- und Arzneibuch]. Kunst-Reich-Hoch Rüehmliches Artzney Buech [...].

Wohl Österreich, um 1700.

Deutsche Handschrift auf Papier. 608 unn., 89 num., 4 unn. Bll. (teils weiß). Schweinslederband der Zeit über Holzdeckeln mit wohlerhaltener Deckelblindprägung und zwei Schließen. Dreiseitiger Farbschnitt. Folio (217 x 318 mm).

 18.000,00

Sehr umfangreiches, sicherlich von adeliger Frauenhand niedergeschriebenes Rezeptbuch, "welchs aus sonderbahren und vornemben Büchern, durch wohlerfahrne, berüembte Doctores, u. a. erfahrnen Medicis nicht allein zusamben gezogen, sondern auch aus sonderbahren fleiß probiert worden. Ingleichen ist hierin zufindten, wie man allerhandt räre Aquaevitae, und köstliche Wässer, auch Pulfer, Salben, Pflaster, Purgationes, Stritzel, Lattwergen, u. Edelgestain, nit allein wie selbig zupraeparieren, sondern auch auff was weiß u. manier den Patienten solche Medicamenten zugebrauchen" (so der ausführliche Titel).

Soweit bei den Rezepten Quellen oder Zeugen angegeben sind, handelt es sich ganz überwiegend um die Namen von Frauen, was mit Schelenz' Angabe übereinstimmt, dass die Haus- und Hofapotheken in Adelsgütern oder fürstlichen Hofhaltungen "in der Regel [...] von der 'Frau des Hauses' verwaltet wurden" und viele "hohe Frauen [...] sich mit Vorliebe und besonderem Geschick mit Arzneibereitung abgaben" (S. 443f.). Die Quellenangaben der frühesten Einträge, vermutlich aus älteren Rezeptbüchern der Familie kompiliert, weisen auf eine Verbindung nach Sachsen hin ("Das rothe Aqua vitae, wie es mein liebe Frau Muetter von der Churfürstin von Sachßen erhalten", "Hertzog Johann Casimir zu Sachßen etc. Wasser vor die Fraiß", "Das gelbe Aqua vitae, wie Hertzog Johann Friedrich von Saxen gebraucht hat" etc.); dagegen stammt die Mehrzahl der bezeugten Einträge von Personen des 17. Jahrhunderts mit Verbindung zur Habsburgermonarchie ("Frau von Zinßendorff", "Gräfin Buchheimb", "Freyle Anna Maria von Auersperg", Esther Gräfin Hardegg, Frau von Teuffenbach, Gräfin Althann, Gräfin Urschenbeck, Gräfin Starhemberg, Frau von Herberstorff usw.). Genannt werden als Autoritäten ferner der kaiserliche Leibarzt Anton de Pozzis (gest. 1675), ein "Dr. Pröll" sowie ein "türckhischer Doctor".

In sorgfältiger Kurrente abgefasst und mit kalligraphierten Überschriften; über ein ausführliches Inhaltsverzeichnis erschlossen.

Provenienz

Bl. 1 mit Sammlerstempel "Konrad Ginzberger" (um 1900, wohl nö. Eisenbahnbeamter aus Weidling bei Klosterneuburg). Später Hartung & Hartung (München), Auktion 104 (2002), Nr. 13.

Zustand

Fast fleckenfrei, der schöne Einband kaum berieben. Anfangs 3 w. Bll., jedem Abschnitt folgen mehrere unbeschriebene, nur mit einer Einfassungslinie versehene Blätter für Zusätze, das Schlussblatt wiederum leer.

Literatur

Vgl. Schelenz, Geschichte der Pharmazie (Berlin, 1904).

Art.-Nr.: BN#65400 Schlagwörter: , , , ,