Teure Federn

  • Die Zeit
  • 17. Januar 2013
  • Stefan Koldehoff

Auf den Antiquariatsmessen in Stuttgart und Ludwigsburg gibt es feine Raritäten auf Papier zu kaufen. Ein Vorbericht

[...] Während die letzten großen Auktionen für Kunst der Klassischen Moderne eher enttäuschend verliefen, steigen – neben dem Wert von Altmeistergemälden – die Preise für antiquarische Bücher und für Autografe nach wie vor an [...] Die deutschsprachigen Antiquariate stehen angesichts dieser anhaltenden Entwicklung vor der Frage, ob sie mithalten können oder ob sie das Geschäft mit den hochpreisigen Autografen und Büchern den internationalen Auktionshäusern überlassen müssen. Eine aktuelle Entwicklung bei der angesehenen Stuttgarter Antiquariatsmesse gibt dabei ein schlechtes Signal. Zum ersten Mal seit Jahren werden mit dem Antiquariat Inlibris aus Wien und der Autografenhandlung Kotte aus Rosshaupten zwei international konkurrenzfähige Anbieter nicht mehr mit einem Gemeinschaftsstand auf der Messe vertreten sein.

Es habe »Wünsche von verschiedenen Beteiligten gegeben, die sich, ohne eine vierte Dimension zur Verfügung zu haben, nicht unter den berühmten einen Hut bringen lassen«, verklausuliert Christian Hesse, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Antiquare e. V. und damit auch Veranstalter der Stuttgarter Messe, die Gründe. Konkreter wird Hugo Wetscherek, Geschäftsführer von Inlibris: »Wir sind darauf angewiesen, einen Eckstand zu haben, an dem wir unser Angebot in geschlossenen Vitrinen zeigen können. Alles andere – offene Regale zum Beispiel – würde wegen der wertvollen Stücke unsere Versicherung nicht erlauben.« Deshalb hätten beide Unternehmen schon vor Jahren, als es der Messe gar nicht so gut ging, ein Standkonzept für eine Fläche im Württembergischen Kunstverein entwickelt, die bis dahin nicht bespielt wurde. Dort zeigten sie über Jahre marktfrische Ware – etwa ein Konvolut von Briefen, die Franz Kafka an den jungen Mediziner Robert Klopstock schrieb und die Inlibris in einem eigenen Band wissenschaftlich dokumentierte. Nun erfuhren Wetscherek und Kotte erst am Tag der Standvergabe, dass ihr bisheriger Platz diesmal an das Antiquariat Bibermühle gehe. »Wir fühlen uns ungerecht behandelt«, kommentiert Hugo Wetscherek. »Man hätte uns zumindest vor der Entscheidung über solche Überlegungen informieren und mit uns nach einer Lösung suchen müssen. Immerhin haben wir bislang in Stuttgart jährlich für rund 300 000 Euro verkauft, für etwa dieselbe Summe aber auch bei Kollegen eingekauft. Stattdessen wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt.« – »Der Verband ist bemüht, allen individuellen Wünschen der Kollegen hinsichtlich Planung und Gestaltung der Messestände gerecht zu werden«, sagt dazu Christian Hesse lapidar. »Dass diesem Streben im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung allerdings gewisse Grenzen gesetzt sind, versteht sich von selbst.«

Wenige Tage vor Messebeginn soll es nun noch ein Gespräch geben. Das Autograf allerdings, das ein Highlight der Messe hätte werden können, bieten Inlibris und Kotte nun anderswo an: einen doppelseitigen Brief, den Martin Luther im September 1530 von der Veste Coburg an seinen Theologenkollegen und Mitreformator Philipp Melanchthon in Augsburg schrieb – wenige Wochen nach der Zurückweisung der Confessio Augustana durch die römische Kirche auf dem Augsburger Reichstag. Knapp 100 000 Mark hatte die Epistel 1990 in einer Stargardt-Auktion in Marburg einen kalifornischen Sammler gekostet. Von ihm erwarben Inlibris und Kotte die Epistel im vergangenen Herbst, deutlich teurer, um sie nun für 350 000 Euro anzubieten – auf der zeitgleich stattfindenden Antiquaria Ludwigsburg (24. bis 26. Januar). An der Stuttgarter Messe geht das publikumsträchtige Stück vorbei.