Unbekanntes Manuskript von Thomas Bernhard entdeckt

  • Salzburger Nachrichten
  • 11. November 2001
  • APA

Von der Entdeckung eines bisher unbekannt gewesenen Manuskripts von Thomas Bernhard berichtet die Tageszeitung "Der Standard" in ihrer Montagausgabe. Demnach handelt es sich um eine Bearbeitung von Thomas Wolfes StĂŒck "Herrenhaus" aus dem Jahr 1967. 68 Seiten davon hat Bernhard eigenhĂ€ndig geschrieben, hieß es.

Bernhard hatte sich von einem Buchbinder weiße BlĂ€tter zwischen die gedruckte Rowohlt-Ausgabe des Dramas binden lassen. Er fĂŒllte sie mit einem Vorwort, mit unzĂ€hligen Anweisungen, Korrekturen, Anmerkungen und 25 Skizzen: "Es gibt bessere StĂŒcke, aber wenige, die ich leidenschaftlicher gelesen und gewĂŒrdigt hĂ€tte", schreibt Bernhard.

Diese Arbeit ist dem "Standard" zufolge aber nicht bloß ein Regiebuch, sondern eine eigenstĂ€ndige Bearbeitung: Bernhard verlegte die Zeit der Handlung des 1922 entstandenen SĂŒdstaatendramas in die Jahre 1952/1953, "die Zeit des Krieges in Korea". Das Vorspiel aus der Kolonialepoche verlagerte er ins Jahr 1920, den Schluss in die Gegenwart.

Er sei zwar "gegen die 'Verlegung' jedweden StĂŒckes", notiert Bernhard, "jedoch schien es mir nicht nur interessant, hier zu beweisen, daß man, wie man sagt 'wirkliche Dichtung' ohne weiteres um 200 Jahre verschieben kann."

Das Manuskript ist eine wirkliche RaritĂ€t, heißt es in dem Bericht. Hat doch Bernhard in der Regel mit der Maschine geschrieben - was in diesem Falle nicht möglich war. Von einem Salzburger BuchhĂ€ndler, der die Aufregungen, die dieser Fund mit sich bringen wird, scheut, erwarben die Antiquariate Wolfgang Friebes (Graz) und Inlibris (Wien) gemeinsam das Regiebuch. Sie bieten es nun zum Verkauf an: Laut einem Gutachten dĂŒrfte der Wert bei 5,8 Millionen Schilling (421.502 Euro) liegen.